Rituale jenseits und außerhalb der Kirche

Immer öfter werden „Taufen“, „Hochzeiten“ und „Begräbnisse“ von Ritualbegleitern abgehalten

Eine freie Trauung kann grundsätzlich überall stattfinden. Egal ob auf einem Berg, im Wald, im eigenen Gartenoder direkt bei der Hochzeitslocation, wo danach gefeiert wird. „Es ist für alle, die keine Standardtrauung möchten, sondern eine wunderschöne, persönliche, individuelle Zeremonie“, so Karin Beck. Aber aufgepasst: Rechtlich bindend ist sie nicht.
Eine freie Trauung kann grundsätzlich überall stattfinden. Egal ob auf einem Berg, im Wald, im eigenen Gartenoder direkt bei der Hochzeitslocation, wo danach gefeiert wird. „Es ist für alle, die keine Standardtrauung möchten, sondern eine wunderschöne, persönliche, individuelle Zeremonie“, so Karin Beck. Aber aufgepasst: Rechtlich bindend ist sie nicht. © WavebreakMediaMicro — stock.adobe.com

„Um nicht den Eindruck zu erwecken, es handle sich um kirchliche Feiern, ist die Überlassung von Kirchen oder Kapellen an freie Ritualbegleiter/innen nicht zulässig“, heißt es im aktuellen Diözesanblatt. Es sei zwar kein Massenphäomen, aber solche Anfragen würden vorkommen und deshalb diese Klarstellung, heißt es aus der Diözese Linz. Grundsätzlich müsse sowieso jede Nutzung der Kirche — etwa auch für Konzerte oder Filmaufnahmen — durch den Pfarrer genehmigt werden.

Bischofsvikar Wilhelm Vieböck – er ist im diözesanen Prozess „Zukunftsweg“ Themenpate für „Liturgie“ – erklärt, dass die kirchlichen Amtsträger kein Monopol mehr auf die Gestaltung von Taufen, Hochzeiten oder Begräbnissen haben.

Mittlerweile gibt es sogar einen Diplomlehrgang beim Wirtschaftsförderungsinstitut für „Freie Redner für Zeremonien“. Laut WIFI steige das Bedürfnis von Brautpaaren auf persönliche und individuelle Trauungen, Willkommensfeste oder Namensgebungsfeste seien im Vormarsch. Und auch für Beerdigungen wünschen sich die Hinterbliebenen mehr Persönlichkeit und Gefühl für den letzten Abschied. Für diese Anlässe brauche es „Zeremonienleiter“. Das Handwerkszeug könne man in diesem Kurs erlernen. Bei der Abschlussarbeit muss eine fiktive Trauung inklusive Reden und Preiskalkulationen geplant werden. Mit dem Diplom kann man Trauungen, Taufen oder Trauerfeiern begleiten. Laut Kursleiterin Karin Beck sei die Nachfrage „bombastisch“.

Hochzeiten überall

„Viele Paare heiraten davor kurz und schmerzlos am Standesamt im engen Kreis oder nur zu zweit und erleben dann mit der ganzen Gesellschaft die Freie Trauung“, erzählt Beck. Seit sechs Jahren sei sie im Geschäft und die Nachfrage steige permanent. Rund 30 solcher Trauungen mache sie im Jahr und in Oberösterreich gebe es rund zehn weitere Anbieter — auch diese seien gut gebucht. Deshalb habe man eben den WIFI-Kurs gestartet. Bei einer solchen freien Trauung gebe es kein zwingendes Ritual oder zwingende Bestandteile, die man oft bei standesamtlichen oder kirchlichen Trauungen hat. Sondern es werden Rede und Trauung auf das jeweilige Paar zugeschneidert.

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Trauungen seien noch immer das Hauptgeschäft, aber mittlerweile wollen auch immer mehr Menschen, die mit Kirche nichts am Hut haben oder zwei verschiedenen Religionen angehören, eine Feier für ihr Kind. Eine solche Willkommens- oder Namensgebungsfeier ermögliche dem Kind, wenn es größer ist, selbst zu entscheiden, ob und welche Religion es annehmen möchte. Aber auch am Ende des Lebens stehen Rituale und auch für Trauerreden kann man Beck buchen: „Es soll einfach keine Standardverabschiedung sein, sondern vielmehr eine letzte Wertschätzung für eine geliebte Person“. Als Konkurrenz zur Kirche sehe man sich nicht. Die Klarstellung der Diözese sieht sie gelassen. Es gehe um die Wünsche der Kunden, diese versuche sie bestmöglich zu erfüllen, so Beck.

Ansprüche steigen

Für Vieböck müsse eine Antwort der katholischen Kirche darauf Qualität und Stimmigkeit der Feiern sein. „Qualität in der Liturgie war immer schon gefragt, etwa auch die Ausgewogenheit von Musik – Wort – Stille – Ritual. Sie wird noch wichtiger werden. Die Ansprüche steigen.“ Am Beispiel Taufe schildert Vieböck das Dilemma der Kirche: Es sei zwar vielerorts kein Problem, vor allem im städtischen Bereich würden Eltern aber um die Taufe bitten, wo beide aus der Kirche ausgetreten sind und im Extremfall Kirche ganz bewusst ablehnen. Manche würden in der Verwandtschaft kaum einen Paten oder eine Patin finden, die Bezug zur Kirche und zur Familie hat. Eltern erklären im Taufgespräch, dass sie eine religiöse oder kirchliche Erziehung ihres Kindes nicht wollen. Gewollt werde lediglich ein Familienfest.

Vieböck betont, dass es „mutige Lösungen, die praktisch realisierbar, aber auch theologisch stimmig sind“, brauche. Und in den pastoralen Leitlinien der Diözese ist darüber hinaus verankert,dass „neue Formen des Feierns entwickelt werden, um dem Bedürfnis der Menschen nach liturgischer und ritueller Begleitung zu Lebenswenden und angesichts einschneidender Lebenserfahrungen entgegenzukommen“. Eine Patentlösung, falls es die überhaupt gibt, habe man aber noch nicht gefunden, so Vieböck.

Von Herbert Schicho

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