Romeo und Julia im Belcanto-Rausch

Landestheater zeigt Online-Premiere von „I Capuleti e I Montecchi”

Ilona Revolskaya und Anna Alàs i Jové
Ilona Revolskaya und Anna Alàs i Jové © R. Winkler

Am Samstag erlebte im Linzer Musiktheater die Neuinszenierung der tragischen Oper „I Capuleti e I Montecchi“ von Vincenzo Bellini ihre im Kern sehr gut gelungene Online-Premiere.

Mehr Vor- als Nachteile

Das ausgeprägte Belcanto-Drama via Stream anzusehen, bietet mehr Vor- als Nachteile: Rein optisch vermittelt eine facettenreiche Kamera-Arbeit und Bildregie ein anderes, detailreiches Bühnenerlebnis als der „natürliche“, distanzierte Blick auf die große Gesamtbühne.

Dem steht der Verlust der originalen Akustik entgegen, der auch durch Stereo nicht wirklich ausgeglichen werden kann. Sei’s drum: Im Zentrum des Belcanto steht die Stimme, die hauptsächlich den emotionalen Gehalt der Handlung zum Ausdruck bringt. Es ist ein wahres Glück der Inszenierung, dass die Stimmen der Hauptfiguren Romeo und Julia dem Charakter des Belcanto fast vollkommen gerecht werden: Anna Alàs i Jové setzt als Romeo ihren wandlungsfähigen Mezzosopran wunderbar ein, und der Sopran Ilona Revolskayas verleiht der Giulietta in jeder Lage die passenden lyrischen oder dramatischen Züge.

Hier wird Belcanto — schöner Gesang — in aller Differenziertheit erlebbar. Das Drama um die tragische Liebe von Romeo und Julia, die zwei verfeindeten Adelsfamilien angehören, ist bei Bellini im Gegensatz zur berühmten Shakespeare-Version auf fünf Personen fokussiert, von denen lediglich eine, Romeo, den „Montecchi“ angehört, aber immerhin als Anführer.

Seine Gegenspieler sind das Haupt der „Capuleti“, Capellio, und dessen zum Bräutigam Julias bestimmter Vertrauter Tebaldo. Capellios Arzt Lorenzo versucht, im zentralen Konflikt um das „verbotene“ Liebespaar zu vermitteln. Dominik Nekel gibt dem starrköpfigen Capellio mit dröhnendem Bass die gefährlichen Konturen, während Michael Wagner als Lorenzo merkwürdig blass bleibt. Joshua Whitener verfügt als Tebaldo über einen strahlenden, in der Höhe etwas angestrengten Tenor.

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Die Inszenierung Gregor Horres’ lässt völlig offen, was die verfeindeten Gruppen mit ihren mehrfach zitierten Bezügen auf die Kriege der Welfen und Ghibellinen des Hochmittelalters in der Gegenwart, in der mit Pistolen herumgefuchtelt wird, eigentlich verloren haben. Sind es verfeindete Mafia-Clans, deren „Krieger“ mit zu Stahlbändern stilisierten Halskrausen „versklavte“ Söldner verkörpern? Macht nichts, denn das vorerst neutrale Bühnenbild (Elisabeth Pedross) und die Lichtregie sorgen für positive Überraschungen.

Der von Elena Pierini und Martin Zeller einstudierte Chor und Extrachor erfüllt seine umfangreichen szenischen und choreografischen Aufgaben eindrucksvoll und atmosphärisch passend.

Nicht entgehen lassen!

Das Bruckner Orchester spielt unter der Leitung Enrico Calessos seine Stärken vorzugsweise in den lyrischen Passagen und hervorragenden Soli (Horn, Harfe, Cello, Klarinette) aus, die mit den Protagonisten-Stimmen bestens harmonieren. Ein von der Dramaturgie präsentiertes, etwas „abgehobenes“ Pausengespräch versucht vergeblich, Licht ins Dunkel der Inszenierung zu bringen, und wirkt eher störend als erklärend.

Gesamteindruck: Trotz mancher Einwände sollte man sich das ausgeprägte Belcanto-Erlebnis nicht entgehen lassen!

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