Schatten auf den
„Helden von Wien“

Recep Gültekin tat Berliner Anschlag 2016 „net leid“ — Eine Jugendsünde?

Mikail Özen (Mitte): Nicht der Wolfsgruß, sondern nur ein Kampfgruß... - Am Tag des Anschlages in Berlin postete Recep Tayyip Gültekin 2016, dass ihm das „überhaupt net leid“ tue (r.u.) — nach dem Anschlag von Wien distanziert sich der Held auf Instagram (r.o.) davon. © Facebook, Instagram (Screenshots)

Die beiden türkischstämmigen Österreicher werden seit dem Wiener Anschlag als Helden gefeiert: Recep Tayyip Gültekin und Mikail Özen hatten einen verletzten Polizisten aus dem Kugelhagel gerettet und zum Rettungswagen geschleppt.

Gültekin wurde selbst leicht verletzt. Der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig lud die jungen Muslime tags darauf ins Rathaus, der türkische Botschafter Ozan Ceyhun in seine Residenz: „Unsere Jugend hat der ganzen Welt gezeigt, wie sich ein Türke, ein Muslim, verhält, wie er Menschen auch unter schwierigsten Bedingungen hilft“, so der Diplomat.

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In Ankara erkannte man die Gunst der Propagandastunde:Am Abend rief sogar Staatschef Recep Tayyip Erdogan an, um den Austro-Türken zu gratulieren. Gültekins Vater erzählt dem Präsidenten bei der Gelegenheit, dass er seinen Sohn nach ihm benannt habe.

Türken-Gemeinde irritiert

Doch in der hiesigen türkischen Gemeinde sorgt der Rummel um die Helden auch für Stirnrunzeln. Denn Einträge auf den Facebook- bzw. Instagram-Profilen der beiden konterkarieren das Heldenepos: Am 19. Dezember 2016, kurz nachdem der Islamist Anis Amri auf dem Berliner Weihnachtsmarkt mit einem gestohlenen Lkw elf Menschen zu Tode gefahren und davor den Lenker ermordet hatte, postete Gültekin diesen Satz: „mir tut es überhaupt net leid, was ihn Berlin passiert ist“ (sic). Auf Facebook kursierten zudem inzwischen gelöschte Fotos von Özen beim Wolfsgruß — dem in Österreich seit 2018 verbotenen Zeichen der rechtsextremen „Grauen Wölfe“ .

Wolfs- oder Sportlergruß?

Das passt nicht zu dem, was Gültekin nach der Rettungsaktion am Montag gepostet hatte: „Terror hat keine Religion, Terror hat keine Nation. Egal ob Jude, Christ oder Moslem, wir halten alle zusammen. Pray for Vienna.“

Der Favoritener SPÖ-Bezirksrat Muhammed Yüksek rückte zur Verteidigung aus: „Zur Beruhigung, der Wolf ist ihr Teamlogo“. Tatsächlich sind die beiden Kampfsportler. Özen selbst erklärt dem VOLKSBLATT die Wolfsgruß-Fotos sportlich: „Das ist mein Kampfsportsymbol – es gibt Leute, die sich als bärenstark, andere als wolfsstark bezeichnen.“

Die Fotos zeigen ihn aber nicht beim Sport, sondern etwa 2016 vorm Wiener Rathaus mit anderen, die Zeige- und kleinen Finger à la Wolfsgruß wegstrecken. Damals kämpfte Özen als „Eiserne Faust“ für den Verein „Iron Fist Gym Vienna“, dessen Symbol eine Faust ohne weggestreckte Finger ist.

„Ich habe nichts mit denen ‘Grauen Wölfen’ zu tun“, beteuert Özen. Und auch Gültekin schwört auf Facebook: „nein bin kein graue wolf anhänger ich mag nur meinen präsidenten“ (sic).

Das Posting zum Berliner Anschlag lässt sich nicht schönreden. Das hat der heute 21-jährige Gültekin eingesehen und gepostet: „Auch ich war mal jung und dumm und sehe die Welt seit Jahren anders.“

In den sozialen Medien scheiden sich die Geister an den „Helden von Wien“. Für die einen sind sie „Faschisten“, andere äußern sich milde, wie dieser User: „Taten zählen mehr als Worte. Was sie geleistet haben verdient höchsten Respekt und ein dickes Dankeschön.“

Im VOLKSBLATT-Gespräch meinte Özen, dass er sich auch über einen Anruf des österreichischen Bundespräsidenten gefreut hätte. Alexander van der Bellen dürfte allerdings im Bilde gewesen und daher nicht in Gratulationslaune gewesen sein. Wie aus Regierungskreisen zu erfahren ist, war man nämlich über die fragwürdigen Postings der „Helden von Wien“ informiert…

Von Manfred Maurer

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