Schaurigtrauriges und die Philosophie der Maikäfer

Schlosspark: Musicbanda Franui & Nikolaus Habjan mit Kreisler-Liedern

Madame nimmt sich kein Blatt vor den Mund: Puppenspieler Nikolaus Habjan mit der fabelhaften Lady Bug.
Madame nimmt sich kein Blatt vor den Mund: Puppenspieler Nikolaus Habjan mit der fabelhaften Lady Bug. © Schauspielhaus Zürich

„Tauben vergiften im Park“ und „Bidla Bu“. Die beiden Hymnen auf heimliche Mordgelüste assoziiert man mit Georg Kreisler.

Gleich am Anfang haken Franui und Nikolaus Habjan auf der Sommerbühne im Linzer Schlosspark die Hits ab, bringen eine Unzahl von Tauberln und mehr als ein Dutzend fesche Maderln ums Eck, gelassen, heiter, abgründig bös. Es wartet aber Größeres. „Alles nicht wahr“ heißt das Programm.

Aus Innervillgraten kommt erstmals nach Linz die Musicbanda Franui, ein „Umspannwerk zwischen Klassik, Volksmusik, Jazz und zeitgenössischer Kammermusik“, durch Aneignungen der Lieder von Schubert, Schumann, Brahms und Mahler weit über die Grenzen Österreichs hinaus bekannt.

Die Osttiroler verbünden sich mit dem Puppenspieler Nikolaus Habjan, aus dem Jenseits baten sie den großen Liedkomponisten, Menschenkenner und Wortakrobaten Georg Kreisler dazu.

Zynisch, bitter, bös

Auf der Bühne aber regiert Habjans Kreation, „Lady Bug“, eine immer schon alternde Diva, seit 17 Jahren auf Abschiedstournee. Gelegentlich erscheint auch Georg Kreisler leibhaftig an ihrer Seite.

Ihre Bühnenpräsenz übertrifft jede reale Gestalt, mit Worten zynisch, bitter, bös, einer zartbesaiteten Puppenseele voll Trauer und Weisheit. Kreislers Konzept hat sie durchschaut: „Man nehme einen grausamen Stoff, unpassenden Text und übertreibe maßlos“.

Erregt von schaurigtraurigen Schicksalen, wie dem der schönen Else, pirschen sich die musikalischen Seelenforscher aus Osttirol an die Texte heran, so zart und leise, so vorsichtig als hätten sie Angst ganz und gar in Kreislers Grausamkeiten hineingezogen zu werden.

Dem Kreisler’schen Triangel ordnen sie sich unter. Eine vierte Welle sperrt ganz Wien, von Corona, einem Wort im Dreivierteltakt, erzählt ein kurzer Ausflug in die Gegenwart zu „Was wäre Wien ohne Wiener“. Trauermarsch und Polka vereint das langsame Lied vom Witz. Die Sängerin braucht eine Pause. Ein einziges Mal spielen die zehn außergewöhnlichen Solisten pur, Musik, die alles vereint.

Volks- und Hochkultur, Friedhof und Tanzboden, bis Lady Bug die Bühne wieder vereinnahmt. Für ihre Philosophien um die Wahrheit der Marienkäfer möchte man niederknien vor ihr, der Stellvertreterin für Kreisler, Franui und Habjan. Mit ihrem Schöpfer pflegt sie ein kapriziertes Liebesverhältnis.

Schmerzender Puppentod

Die Vorstellung ist aus, die Puppe wird in den Koffer gepackt, Deckel zu. Selten ging ein Bühnentod tiefer zu Herzen. Musikalisch betört dazu schmerzlich-schöne Melancholie, voll ergreifendem Ernst und parodistischer Heiterkeit.

Das Publikum erjubelte zwei Zugaben, ganz zum Schluss bot der Kunstpfeifer Nikolaus Habjan einen Vorgeschmack auf sein Pfeif-Konzert am Donnerstag auf dem Linzer Domplatz.

Von Eva Hammer

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