Schlüsselwerke und Fake News

Francisco Carolinum zeigt zum 80er herausragende Werke von VALIE EXPORT

VALIE EXPORT: Geburtenmadonna (1976) — auch im Original ab heute im Francisco Carolinum zu sehen.
VALIE EXPORT: Geburtenmadonna (1976) — auch im Original ab heute im Francisco Carolinum zu sehen. © Bildrecht Wien, 2020

Es gibt diese Kunstwerke, da reicht ein Blick und eine ganze Welt eröffnet sich. Themen, die mitunter theoretisch mühsam, schwierig sind, zeigen sich — ohne ihre Komplexität zu verlieren — plötzlich mit einer Leichtigkeit. VALIE EXPORT ist vieles: eine Ikone, ein Meilenstein, international hoch geschätzt und sie ist eine Künstlerin, die den Betrachter das Wesentliche unmittelbar erkennen lässt.

„Zum einen wollen wir zeigen, was wir haben“, sagt Gabriele Spindler, Leiterin der Landesgalerie neu. Bis auf ein paar Werke ist das Gezeigte in der Ausstellung „VALIE EXPORT. Collecting Care“im Fransisco Carolinum, der Landesgalerie, aus der eigenen Sammlung. „Das ist ein Schatz, den wir hier beheimaten — von der wichtigsten oberösterreichischen Künstlerin der vergangenen 50 Jahre.“

Ein Stück Museumsarbeit sichtbar machen

Neben dem Ausstellen der bedeutendsten Arbeiten der Sammlung hat sich die Schau eine zusätzliche Aufgabe gestellt: Ein Stück Museumsarbeit zu beleuchten, das gerade bei zeitgenössischen Werken häufig nicht bewusst ist. Restaurieren, bewahren, konservieren, eine Herausforderung auch bei Arbeiten, die gerade einmal ein paar Jahrzehnte alt sind, so Spindler.

Das Werk „Windshields“ stammt aus dem Jahr 1990, ein Selbstporträt EXPORTs, gedruckt auf Autowindschutzscheiben, aufgebaut zu einem Turm. Trotz des jungen Alters weist es bereits Alterungsspuren auf, das verwendete Kunstharz vergilbt, das Glas bricht. In Absprache mit der Künstlerin wird da nach Lösungen gesucht, ersetzt, ausgebessert, teils belassen. „Diese Ausstellung stellt viele Fragen“, sagt Spindler, auch danach, inwiefern die „Botschaft“ eines Kunstwerkes erhalten bleibe, auch wenn es seinen Originalzustand „verliert“. Ein gutes Beispiel dafür ist „Triangel“ von 1974. Hier zeigt EXPORT, wie sehr der Begriff der „Wahrheit“ in medialen Abbildungen zu hinterfragen ist.

Ein Objekt, das von einer Kamera gefilmt und auf einen Fernseher übertragen real ganz anders aussieht. Keine große Manipulation, kein Einsatz von verfälschender Technik, einzig der Winkel täuscht uns Rezipienten, macht das mit eigenen Augen Gesehene zu Fake News. Für Museen ist die Technik eine Herausforderung. Was tun, wenn der alte Fernseher den Geist aufgibt oder die Kamera? Würde der Betrachter auch ähnlich reagieren, wenn ein Handy-Video auf einem Computerbildschirm wiedergegeben werden würde?

Die Schau um VALIE EXPORT in der Landesgalerie ist viel mehr geworden als eine Präsentation ihrer Kunst. Durch die transparente Zurschaustellung des nötigen Umgangs mit den Werken, eröffnen sich sehr anschaulich viele zusätzliche Ebenen der Auseinandersetzung damit. In zwei Räumen widmet man sich auch der tatsächlichen Arbeit — von der Restaurationswerkstatt über für Kunst gefährliche Schädlinge bis zum richtigen Verpackungsmaterial.

Ausgangspunkt aller Überlegungen und damit auch Mittelpunkt ist EXPORTs auch international stark gefragte fotografische Arbeit „Die Geburtenmadonna“ von 1976. „Eines ihrer Schlüsselwerke“, so Spindler. Es ist eine unglaublich starke und intensive Zusammenführung der allseits bekannten „Pietà“von Michelangelo mit einer modernen Frau und einem ihr zugeschriebenen Objekt. Ein rotes Handtuch, das aus der Waschmaschine zu fallen scheint, zieht die Blicke auf sich, die Weiblichkeit in einer Haltung, der das Leiden inhärent ist. Betrachtet man das auf der Wand hängende Werk, ist es „nur“ eine Kopie, exakter formuliert, ein Exhibition Print. Wie schwierig und lang der Weg zu so einem vom Künstler quasi autorisiertem Abbild ist, wird in einem anderen Raum bewusst gemacht. Zigmal wurden Abzüge zwischen Linz und Wien hin- und hergeschickt, bis das nun Gezeigte genügte.

Brutale Realität in einer Heiligkeit präsentiert

Wunderbar inszeniert ist aber auch das Original in der Schau zu sehen. Schiebt man einen schwarzen Vorhang zur Seite, offenbart es sich fast in einer Heiligkeit, sanft und schonend beleuchtet die brutale Realität. Womit wir wieder beim Ausgangsgedanken dieses Textes wären. Als Leihgabe wird künftig dann nur noch der Druck der „Geburtenmadonna“ auf Reisen gehen.

Mit Originaltexten von VALIE EXPORT wird man in einem weiteren Raum konfrontiert und das zu Werken, die sie auch weit über eine eingeschworene Kunstszene hinaus bekannt gemacht haben. Zum „Tapp und Tastkino“1968 etwa schrieb sie: „(…) indem ich, in der sprache des films, meine körperleinwand/leinwandkörper (busen) von jedem öffentlich angreifen ließ durchbrach ich die schranken der sozial legitimierten sexuellen kommunikation.“

Heute öffnet die Ausstellung unter den bekannten Bedingungen — Nasen-Mund-Schutz, Abstand, pro 10 m² ein Besucher, Führungen sind vorerst nicht möglich. Anlässlich des 80. Geburtstages von VALIE EXPORT, ist der Eintritt in die Ausstellung am 17. Mai frei.

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