Selbstsuche mit Gesicht

Die Albertina modern zeigt „Schiele und die Folgen“

Egon Schiele, Selbstbildnis mit herabgezogenem Augenlid, 1910
Egon Schiele, Selbstbildnis mit herabgezogenem Augenlid, 1910 © Albertina

Keine Frage, dass es Egon Schiele war, der das bildnerische Genre des Selbstporträts zu Beginn des 20. Jahrhunderts grundlegend verändert hat. Bei ihm ging es nicht mehr um Erkennbarkeit und auch mögliche Attraktivität eines dargestellten Gesichts. Er betrachtete sich selbst — und das ganzheitlich, Gesicht und Körper. Er experimentierte mit Bewegungen, Haltungen, Ausdruck.

Er suchte nicht das eine Bild, sondern viele, ging in die Tiefe. Es ist ein Teil seiner Genialität, und im ersten Raum der Ausstellung „Schiele und die Folgen“ (bis 23. Jänner 2022) im Untergeschoß der Albertina modern kann man sich in die Variationen seiner Selbstsuche vertiefen.

Am Beispiel von zwölf zeitgenössischen Künstlern zeigt Albertina-Chef Klaus Albrecht Schröder die Entwicklung, die das Selbstporträt genommen hat, wobei Schiele fast in allen Fällen unschwer als Ausgangspunkt dafür genommen werden kann, was in den Gesichtern gesucht und gefunden wurde.

Von Brus bis Wurm

Die Spannweite ist enorm — die absolute Zerstörung, mit welcher der Aktionskünstler Günter Brus mit seiner Body-Art den menschlichen Körper und das Gesicht zerlegte. Die hundertfache Verfremdung, die ein Arnulf Rainer mit seinen Übermalungen erzielte, immer auf der Suche nach sich selbst. Das manische Umkreisen des Ich in den Werken von Georg Baselitz.

Einen großen Anteil an dem Gezeigten haben Frauen, wobei Maria Lassnig zweifellos am radikalsten mit sich selbst umgegangen ist — Kriterien wie ästhetische Schönheit haben alle Künstler dieser Ausstellung nie berücksichtigt. Cindy Sherman, die in ihrer Kunst verschwinden möchte, tut es mit exzessiver Schminke, mit einer Bemalung als Clown, worin sie selbst geradezu verschwindet. VALIE EXPORT stellt nicht nur ihr Gesicht, sondern auch ihr Geschlecht aus.

Da sind noch die fragenden Variationen des Gesichts von Jim Dine, da verfremdet sich Ernst Wurm, da bieten Elke Krystufek, Karin Mack undd Eva Schlegel weitere Beispiele weiblicher Selbstsuche, auch zwischen Blumen und Bügelbrett. Jede Künstlerin, jeder Künstler der Schau hat seinen individuellen Beitrag zum Thema Selbstporträt zu bieten — das macht das Gebotene so spannend.

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