Skulpturen zum Tragen

Linzer Schlossmuseum zeigt erste Gesamtschau der oö. Schmuckkünstlerin Anna Heindl

„Blütenkugeln mit Perlen“, 2017, nach „Der Garten der Lüste“ © Anna Heindl

Ringe, die an Planeten, Satelliten oder Blütenknospen erinnern, Stücke, die wie Ohren geformt sind, Broschen, die das Geschehen am Himmel nachstellen … Eine Tradition, die in unseren Breiten ziemlich eingeschlafen ist, belebt Direktor Alfred Weidinger mit der neuen Ausstellung im Linzer Schlossmuseum: „Bis vor 20 Jahren hatte Schmuckkunst im deutschsprachigen Raum einen festen Platz im Museum“, so Kuratorin Mona Horncastle.

Gezeigt werden bis 10. Jänner 2021 nun unter dem Titel „Longtime Love Affairs“ Arbeiten der gebürtigen Pergerin Anna Heindl — einer der bedeutendsten Schmuckkünstlerinnen Österreichs, die weltweit in den Sammlungen der wichtigsten Museen, darunter der Pariser Louvre, vertreten ist. Linz zeigt die erste Gesamtschau zu Heindls Werk.

Ein Leben in Kunstwerken

Von Vitrine zu Vitrine schreitet man das Leben der heute 70-jährigen Künstlerin im Ausstellungsraum chronologisch ab. Viele der Schmuckstücke sind wuchtig, manche begeistern mit filigranen Details, alle strahlen eine große Stärke aus. Dreizehn Werkreihen hat die in Wien lebende, intensiv schaffende Absolventin der Angewandten seit 1979 erarbeitet. „Es geht immer um Themen aus ihrem Erleben, Denken, Fühlen“, so Horncastle.

„Email Köpfe“ (1982) heißt die aufwendige Serie, für die Heindl mit der uralten Cloisonné-Technik gearbeitet hat: Auf Feinsilber mit Stegen, die mehrere Felder entstehen lassen, wird dabei Pulver aufgebracht, das geschmolzen und später dann geschliffen wird. So hat Heindl bis zu 15 Schichten aufgebaut, die in verschiedenen Farben glänzen. Ein schwarz-weiß-gestreifter Broschen-Kopf trägt den Titel „Josephine Baker“.

Heindl arbeitet mit den unterschiedlichsten Materialien, von Gold über Perlen und kostbare Edelsteine bis Edelstahl. In der Schmuckkunst geht es aber nicht um das Material und dessen Wert, sondern um Formfindung und Kreativität.

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Aus dem ersten Wimmelbild der Geschichte, „Der Garten der Lüste“ von Hieronymus Bosch, hat die Künstlerin Heindl in der Renaissance als unsittlich geltende Stellen herausgepickt, die der Maler vor der strengen kirchlichen Obrigkeit geschickt im Bild verborgen hat, und sich 2007 davon zu Objekten mit viel Sinnlichkeit inspirieren lassen. Sehr sinnlich auch jene tragbaren Skulpturen, in denen sich die Künstlerin immer wieder mit weiblicher Erotik auseinandersetzt.

Zäune und Ohren

„Als Heindl mit ihren Schwestern in ein Haus gezogen ist, fing sie an, sich mit dem eigenen Raum und dem Thema Abgrenzung zu beschäftigen“, erzählt Horncastle. Entstanden sind daraus Schmuckkunstwerke, die an Zäune („Landschaft und Garten“, 1987) erinnern. Ihre eigenen Ängste und ihren Schrecken angesichts des Jugoslawienkrieges drückte die Künstlerin in der Serie „Ears and Tears“ (1992) aus, die Elemente in Ohren-Form tragen — Zuhören als Weg, ein Trauma aufzuarbeiten.

Gemeinsam mit ihrem Mann, dem Künstler Manfred Wakolbinger, hat Heindl viele Jahre lang Tauchreisen unternommen. Die Serie „Horizont“ (1997) spiegelt u. a. in wunderschönen Broschen und Ringen mit Edelsteinen die Farben des sich verändernden Tageslichtes am Meer stimmig wieder.

Und die Kunstwerke selbst spiegeln sich in den Decken der Vitrinen des Ausstellungsarchitekten Luigi Blau. Vier Arbeiten von Heindl sind als spannende Hologramme zu betrachten, eine Soundinstallation liefert erklärende, poetisch bearbeitete Texte. Diese werden demnächst in einem Kunstbuch über das Schaffen von Heindl nachzulesen sein.

Die Schau zeigt ausschließlich Leihgaben. Viele Sammlerinnen hätten ihre Heindl-Kunstwerke nicht hergeben wollen, weil sie sie häufig tragen, erzählt Horncastle: „Die Stücke treten mit der Trägerin in Kommunikation.“ Skulpturen im Kleinformat mit ganz viel Inhalt eben.

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