Soziallandesrätin Gerstorfer: „Gute Politik muss das Leben für alle verbessern“

SPÖ-Landesparteichefin und Soziallandesrätin Birgit Gerstorfer über ihre Erinnerung an Bruno Kreisky

SPÖ-Landesparteichefin Birgit Gerstorfer
SPÖ-Landesparteichefin Birgit Gerstorfer © Land OÖ/Stinglmayr

VOLKSBLATT: Am gestrigen 29. Juli jährte sich zum 30. Mal der Todestag von Bruno Kreisky, dem Sozialdemokraten schlechthin. Was ist von ihm als Vorbild geblieben und welche persönliche Erinnerung haben Sie an ihn?

GERSTORFER: Meine Eltern haben immer zu mir gesagt, wenn es keine Schulbuchaktion gegeben hätte und keine Schülerfreifahrt, dann hättest du nie ins Gymnasium gehen können – und das haben wir dem Kreisky zu verdanken. Meine Eltern waren Arbeiter und damit war auch klar, was sie wählen. Was bleibt ist die große Überschrift, dass es darum geht, möglichst vielen Menschen Zugang zu Bildung zu verschaffen, denn Bildung ist der Türöffner für ein gutes Leben und für eine gute Berufstätigkeit, das steht stark im Vordergrund. Im Zeichen Bruno Kreiskys wurde der Bildungsaufstieg zum Klassiker, das kann man an vielen Generationen beobachten – meine Eltern waren Arbeiter, ich bin Maturantin, eines meiner Kinder ist Akademikerin. Diese Verbesserung von Generation zu Generation und im Leben selbst ist geblieben. Ich erzähle immer das Beispiel von meinem Papa, der hat mit 18 Jahren den Motorrad-Führerschein gemacht und gesagt, er braucht keinen Auto-Führerschein machen, weil er wird sich sein ganzes Leben lang kein Auto leisten können – und mit 25 hat er dann doch den B-Führerschein gemacht. Das sind die Dinge, die dahinter stehen: das Leben zu verbessern, Gleichberechtigung, gleicher Zugang zu verschiedensten Leistungen, die der Staat bzw. die Politik zur Verfügung stellen.

Von einer absoluten Mehrheit wie zu Kreiskys Zeiten ist die SPÖ heute weit entfernt, im Bund und auch im Land OÖ. Was sagen Sie zu den anhaltend schlechten Umfragewerten und wie wollen Sie diesen begegnen?

Na ja, das ist fast dieselbe Antwort wie zuvor, denn es geht gerade in Zeiten der Krise und in Zeiten der hohen Arbeitslosigkeit um soziale Sicherheit. Menschen kommen unerwartet in Ausnahmezustände in ihrem Leben – da gehört die Kurzarbeit genauso dazu, wie die Arbeit zu verlieren, oder keine Kinderbetreuung mehr zur Verfügung zu haben – das hat man jetzt in der Corona-Krise sehr, sehr stark erlebt. Und die Antwort darauf ist, dafür Sorge zu tragen, dass die sozialen Sicherungssysteme im Land, dass die Beschäftigung, dass aktive Maßnahmen der Arbeitsmarktpolitik bei den Menschen ankommen. Das ist eine klassische sozialdemokratische Antwort über Jahrzehnte – und das ist auch die Antwort auf die aktuellen Umfrage-Ergebnisse.

Kann man davon ausgehen, dass Sie bei den Landtagswahlen 2021 in Oberösterreich die SPÖ als Spitzenkandidatin anführen werden?

Es wird einen Landesparteitag im November geben, da werde ich als Spitzenkandidatin antreten und mit großer Zuversicht denke ich auch, dass ich da gewählt werde. Und daher ist auch davon auszugehen, dass ich als Spitzenkandidatin in die Wahl 2021 gehen werde.

Welche politische Kräfteverteilung erwarten Sie nach der Wahl, wird sich die SPÖ erholen und welche Partei ist der stärkste Gegner?

Wir arbeiten intensiv daran, dass wir stärker werden, das ist ganz klar. Der aktuelle und auch stärkste Gegner ist natürlich die ÖVP, die sehr stark mit ihren Machtnetzwerken Oberösterreich umzingelt – und dieses Machtgefüge wollen wir etwas aufweichen. Die FPÖ ist momentan nicht sichtbar.

Muss man wegen des zuletzt immer schärfer werdenden SPÖ-Tons im politischen Diskurs eine Schlammschlacht für den bevorstehenden Wahlkampf in OÖ erwarten?

Ich glaube, der schärfere Ton der SPÖ ist einfach eine dichtere Medienarbeit und natürlich eine klarere Oppositionspolitik, die Dinge kritisiert. Aber das ist das Wesen der Opposition, dass sie versucht, mit neuen Ideen und auch mit Kritik an den bestehenden Vorgangsweisen der politischen Akteure laut zu sein. Das tun wir halt jetzt und das ist man vielleicht nicht ganz so gewohnt.

Ist für Sie die von der SPÖ so lautstark kritisierte Masken-Beschaffung nach der Justiz-Entscheidung, dass kein Anfangsverdacht vorliegt, jetzt erledigt?

Das eine ist die rechtliche Betrachtung, aber das andere ist die politische Betrachtung und die politische Dimension, die dahintersteckt. Wenn ein politischer Berater, der vorher nichts mit Schutzmaterialien im Gesundheitsbereich zu tun hatte, plötzlich einen Viereinhalb-Millionen Auftrag bekommt – jetzt kann man diskutieren, ob mit überhöhten Preisen oder zu diesem Zeitpunkt marktkonformen Preisen, wenn es das überhaupt gibt –, dann ist das halt hochgradig auffällig und dass uns das interessiert ist keine Frage und dass wir uns weiter dafür interessieren, ist auch keine Frage.

Gehen Ihnen die ständigen Zwischenrufe Ihres burgenländischen SPÖ-Kollegen LH Hans Peter Doskozil gegen die eigene Partei auf die Nerven?

Also, grundsätzlich muss man sagen, es gibt einen Landeshauptmann im Burgenland, der extrem erfolgreich war bei der letzten Wahl – das steht außer Diskussion, das ist hochgradig zu schätzen und zu respektieren. Er hat im Burgenland sehr viele Ideen implementiert, die auf Wohlgefallen in diesem Bundesland gestoßen sind, das sieht man am Wahlergebnis. Innerparteiliche Diskussionen soll man lieber innerparteilich ausdiskutieren und nicht öffentlich – das gilt für mich und das gilt für alle Funktionärinnen und Funktionäre.

Der Corona-Sommer mit seinen Einschränkungen wird vielen Menschen unvergessen bleiben. Wie gehen Sie persönlich damit um und haben Sie zum Beispiel Ihre Urlaubspläne angepasst?

Meine Urlaubspläne habe ich nicht angepasst, weil ich seit Jahren im Sommer in Österreich Urlaub mache und selten ins Ausland fahre. Das gilt auch für heuer mit der Südsteiermark, das ist mein persönliches Reiseziel. Für mich ändert sich nichts, weil ich wieder in die Südsteiermark fahre, ich weiß gar nicht zum wievielten Mal. Der Corona-Sommer hat natürlich auch eine andere Bedeutung, wenn man zum Beispiel nach St. Wolfgang schaut: Was heißt Corona für die Gastronomie und die Tourismuswirtschaft? Es ist natürlich sehr schade, dass dieser Cluster in St. Wolfgang aufgetreten ist – für alle Betroffenen und alle Beteiligten. Eine Kritik am Krisenmanagement kann ich mir aber nicht verkneifen, denn wenn ich in der letzten Schulwoche alle Schulen in fünf oberösterreichischen Bezirken schließe, auch Schulen, in denen es keinen einzigen Verdachtsfall gegeben hat – und damit viele Eltern in Schwierigkeiten bringe mit der Kinderbetreuung –, und jetzt in St. Wolfgang alle Argumente zählen, warum man dort nicht mehr Konsequenzen setzt, dann ist das, finde ich, keine passende Vorgangsweise für diese zwei unterschiedlichen Cluster, die wir haben.

In welchen Bereichen in Ihrem Ressort sehen Sie als Soziallandesrätin aktuell den größten Handlungsbedarf?

Es sind vor allem drei Bereiche: Das ist natürlich einmal die Pflege und da in erster Linie die Frage des Pflegepersonals. Da sind wir auf einem guten Weg, weil wir eine sehr enge und gute Kooperation mit dem AMS haben. Mehr Arbeitslose heißt auch, mehr Personen, die sich für Pflegeausbildungen interessieren könnten – und das auch tatsächlich tun. Der zweite Punkt ist das Thema der Menschen mit Beeinträchtigung und die dazugehörigen langen Wartelisten, wenn es um das Wohnen geht. Da machen wir jetzt wieder einen kleinen Schritt mit zusätzlich 100 Plätzen, das wird die Warteliste von über 1000 Personen aber nur bescheiden entlasten. Und der dritte corona-bedingte Punkt ist die Gewaltzunahme gegenüber Frauen. Wir haben gerade wieder einen Frauenmord in OÖ – und beim Gewaltschutz müssen wir deutlich mehr auf Interventionen setzen und Angebote machen. Solche Taten wird man nie gänzlich verhindern können, aber deutlich reduzieren.

Mit SPÖ-Soziallandesrätin BIRGIT GERSTORFER sprach Harald Engelsberger

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