Vincent Kriechmayr hat am Donnerstag den Durst nach einem österreichischen Gröden-Abfahrtssieg gestillt. Der Ski-Weltmeister in beiden Speed-Disziplinen gewann mit einer Fahrt „ziemlich am Limit“, wie er selbst sagte, vor dem Schweizer Gesamtweltcup-Leader Marco Odermatt und seinem Teamkollegen Matthias Mayer. Es war auch der erste ÖSV-Sieg in diesem Alpin-Winter im achten Rennen. „So eine verkürzte Gröden-Strecke hat schon was“, stellte Kriechmayr fest.
„Ich habe heute in der Früh den Sport gelesen, da ist gestanden, dass wir die größten Chancen heute haben, weil es verkürzt ist. Ich habe mir gedacht, wenn wir es heute nicht liefern, kriegen wir sehr viel Kritik“, berichtete der Oberösterreicher nach seinem 13. Weltcup-Sieg. Zuvor war sein bestes Ergebnis 2015 ein siebenter Platz gewesen. Das Gleiche gilt für Mayer, der 2014 Siebenter war. Dieses Mal ließ Kriechmayr nach 1:25,44 Minuten Fahrzeit vom Super-G-Start weg den Favoriten Aleksander Aamodt Kilde, Mayer und auch Odermatt hinter sich.
„Natürlich haben wir gewusst, dass es, wenn es verkürzt ist, ein enges Derby wird“, sagte Kriechmayr, der Mayers Fahrt vor seinem Start am Monitor verfolgt hatte. „Er ist auch ziemlich am Limit gewesen. Wo er einen kleinen Fehler gemacht hat, war bei der zweiten Ciaslat, dass er vielleicht eine Spur zu weit gesprungen ist. Das wollte ich nicht ganz so machen, den Rest habe ich versucht, gleich zu fahren.“
Nicht nur Mayer, vor allem Kilde und Odermatt, die alle vier vorherigen Speedrennen in der Saison unter sich aufgeteilt hatten, würden ihn zu Höchstleistungen treiben. „Ich bin wirklich bei jedem Sprung ziemlich am Limit gewesen. Ich glaube, ich bin zum Teil über hundert Prozent gefahren“, erklärte der 31-Jährige. Seinem Servicemann dankte Kriechmayr für „einen guten Job“. Besonders im letzten Abschnitt bis zum Ziel funktionierten seine Ski raketengleich.
„Der Fluch ist gebrochen“, rief Mayer im Zielraum nach seinem ersten Podestplatz in Gröden. „Vinc hat gesagt, er hat sich mich am Start noch angeschaut. Dann hat er sich gedacht, wenn der das kann, kann ich das auch. Das ist ihm gut aufgegangen“, erzählte der Kärntner und verwies darauf, dass auch Daniel Hemetsberger eine „ganz gewaltige Fahrt“ gehabt hätte, wäre er ins Ziel gekommen.
Den Ruhetag am Mittwoch hatte Mayer übrigens mit einem Gläschen Südtiroler Rotwein beim Verfolgen des Fußball-WM-Halbfinales Frankreich gegen Marokko ausklingen lassen. „Vielleicht war es der Lagrein. Den habe ich bis jetzt noch nicht gehabt“, witzelte er über ein mögliches Erfolgsgeheimnis. Kriechmayr meinte dazu: „Ich habe mir ein Bier gegönnt. Wahrscheinlich war das Bier schneller als der Wein.“ Odermatts Getränkewahl am Vorabend ist nicht überliefert.
Der Super-G am Freitag (11.45 Uhr/live ORF 1) firmiert offiziell als 100. Weltcup-Rennen im Grödnertal. Kriechmayr, der in der Disziplin bereits 2019 gewonnen hatte, könnte mit einem weiteren Sieg zum insgesamt zweiten Österreicher nach Franz Klammer 1976 mit einem Gröden-Double im selben Jahr avancieren. Bei Klammer waren es damals zwei Abfahrten binnen 24 Stunden. „Der Super-G ist wieder was anderes“, blickte Kriechmayr voraus. Die Devise bleibe aber gleich: „Voll am Limit und keine Fehler machen.“
Odermatt sicherte sich disziplinübergreifend seinen zwölften Weltcup-Podestplatz in Serie. Im Gesamtklassement baute der Titelverteidiger seine Vorsprung auf 175 Punkte aus, die zwischen ihm und Kilde liegen. Noch nicht sicher ist, dass der Schweizer auch die Abfahrt am Samstag in Angriff nehmen wird. „Das werde ich morgen entscheiden nach dem Rennen“, sagte er. Aufgrund des stressigen Terminkalenders mit fünf Südtirol-Rennen in fünf Tagen bis Montag lässt er sich einen Ruhetag dazwischen offen. Über die gesamte Distanz der Saslong jedenfalls würde er sich im oberen Teil „wahrscheinlich auch eine Hypothek einfangen – hoffentlich nicht eine zu große“.