Evenepoel nimmt es beim Giro mit Roglic auf

Weltmeister Remco Evenepoel © APA/AFP/WILLIAM WEST

Der am Samstag beginnende Giro d’Italia könnte auf ein hartes Duell von Primoz Roglic mit dem belgischen Jungstar Remco Evenepoel hinauslaufen. Beide haben in diesem Frühjahr mit mehreren Siegen überzeugt, im direkten Duell lag der deutlich erfahrenere Slowene bei der Katalonien-Rundfahrt knapp vorne. Patrick Konrad (Bora) und Lukas Pöstlberger (Jayco) sind in den drei Italien-Wochen als Etappenjäger und Helfer ihrer Kapitäne im Einsatz.

Für den 33-jährigen Roglic zählt nach drei vergeblichen Tour-de-France-Versuchen, aber auch drei Vuelta-Triumphen seit 2019 nur das Rosa Trikot. „Der Giro hat einen speziellen Platz in meinem Herzen. Hier habe ich meine erste Grand-Tour-Etappe gewonnen, und es ist so nahe an Slowenien, es ist fast unser Heimrennen. Als ich begonnen habe, von einem Leben als Radprofi zu träumen, war es der Giro, den ich vor Augen hatte“, sagte der einstige Skispringer zum Branchenportal Cyclingnews.

Unmittelbar vor dem Giro-Start galt es jedoch für Roglic einen Rückschlag zu verdauen. Der Niederländer Jos van Emden musste am Donnerstag wegen Corona passen und wurde durch seinen Landsmann Sam Oomen ersetzt. Erst am Vortag war Van Emden ins Team gerückt, nachdem Zeitfahr-Weltmeister Tobias Foss (Norwegen) und Bergspezialist Robert Gesink (Niederlande) aufgrund von Covid-Erkrankungen ihre Teilnahme an der Italien-Rundfahrt abgesagt hatten.

„Das ist nicht das, was wir uns gewünscht haben. Wir müssen damit umgehen und Lösungen finden. Wir gehen mit den Jungs ins Rennen, die hier sind. Wir sind bereit, wir haben alles getan“, sagte Roglic auf einer Pressekonferenz in Pescara.

Der Zeitfahr-Olympiasieger hat für die fast 3.500 Rennkilometer samt 51.000 Höhenmetern noch immer eine starke Jumbo-Mannschaft mit Edelhelfer Sepp Kuss um sich. Der Giro-Dritte von 2019 weiß aber um die Fähigkeiten seiner Rivalen. „Ich habe immer gesagt, dass Remco ein großartiger Fahrer ist. Ich muss auf meinem besten Level sein, um gegen ihn zu bestehen. Aber wenn nur wir beide gegeneinander fahren, könnte jemand anderer die Gelegenheit nutzen und profitieren.“

Einer der genau das im Sinn hat, ist der vor drei Jahren beim Giro und zuletzt bei der Tour of the Alps siegreiche Brite Tao Geoghegan Hart. Sein Ineos-Team verfügt mit Geraint Thomas auch noch über eine zweite Option. Auch Joao Almeida (UAE), Konrads Teamkollege Alexander Wlasow und Hugh Carthy (EF) zählen zum Favoritenkreis. Für das seit Vincenzo Nibali 2016 sieglose Gastgeberland muss es Damiano Caruso (Bahrain) richten.

Die nicht nur bergauf, sondern auch im Zeitfahren äußerst schnellen Roglic und Evenepoel werden bei regulärem Verlauf nur schwer zu biegen sein. Der Belgier hat mit der Vuelta im Vorjahr, als Roglic verletzt ausschied, bereits im zweiten Versuch eine Grand-Tour gewonnen. Bei seinem zweiten Giro – 2021 musste er mit Sturzverletzungen aufgeben – soll dem 23-jährigen Weltmeister aus der Soudal-Mannschaft einen weiterer Schritt in Richtung seines Traumzieles Tour de France gelingen.

„In Italien zu fahren, ist immer speziell. Ich liebe es, ich liebe die unglaublichen Tifosi und ihre Leidenschaft für den Radsport. Natürlich ist es noch spezieller, den Giro als Weltmeister im Regenbogentrikot zu bestreiten“, zeigte sich Evenepoel voller Vorfreude. Dass er in Topform ist, stellte er unlängst mit seinem eindrucksvollen Lüttich-Bastogne-Lüttich-Sieg unter Beweis. Trotzdem gab er sich zurückhaltend: „Es ist kein Geheimnis, dass ich auf ein gutes Ergebnis im Gesamtklassement losgehe.“ Wie Roglic, der seit Ende März kein Rennen mehr bestritten hat, bereitete er sich wochenlang im Höhentraining auf Teneriffa vor.

Eröffnet wird die 106. Giro-Auflage mit einem 20-km-Einzelzeitfahren in Fossacesia Marina, auch die endgültige Entscheidung wird im Kampf gegen die Uhr fallen. Und zwar am 27. Mai unweit der Grenze zu Kärnten im steilen Bergzeitfahren zum Monte Lussari bei Tarvis. Danach steht nur noch eine Flachetappe in Rom auf dem Programm.

Wie gewohnt hält das Rennen auch diesmal nur wenige flache Tagesabschnitte, dafür aber zahlreiche Anstiege sowie sieben Bergankünfte bereit. Den Anfang macht der Gran Sasso (7. Etappe), es folgen unter anderem der Monte Bondone (16.) und der Passo Cibiana (18.). Bei einem Abstecher in die Schweiz geht es am 19. Mai über den Großen Sankt Bernhard und den Col de la Croix de Coeur nach Crans-Montana, hierbei sind über 5.000 Höhenmeter zu bewältigen. Tags darauf führt die Strecke der 14. Etappe über den Simplonpass zurück nach Italien bis nach Cassano Magnago. Am drittletzten Tag wartet in den Dolomiten mit der Königsetappe ein finaler Monster-Abschnitt mit den Pässen Campolongo, Falzarego, Giau und dem Ziel am Fuße der Drei Zinnen. Danach geht es zum Lussari-Showdown ins Friaul.

Für den diesmal nicht auf einen Spitzenplatz im Gesamtklassement losgehenden Konrad ist ein Etappensieg – wie bereits bei der Tour de France 2021 geschafft – das Traumziel. In Anbetracht seiner zuletzt erfreulichen Ergebnisse in Lüttich (8. Platz) und in Frankfurt (2.) scheint ein Coup ähnlich des Auftakterfolges seines früheren Teamkollegen Pöstlberger 2017 durchaus möglich.

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