McLaren-Drama trotz Ungarn-Doppelsieg, Verstappen verärgert

Freude bei McLaren © APA/AFP/ATTILA KISBENEDEK

Nach dem dramatischen McLaren-Doppelsieg beim Großen Preis von Ungarn setzte die Euphorie beim Rennstall in Papaya-Orange erst mit etwas Verzögerung ein. Denn Lando Norris schenkte seinem Teamkollegen Oscar Piastri am Sonntag via Stallorder den Sieg, für den Australier war es der erste in der Formel 1. Damit verpasste Norris allerdings die Chance, mehr Punkte auf WM-Leader Max Verstappen aufzuholen, der vor den Toren Budapests vor allem mit Wutausbrüchen aufgefallen war.

Nur aufgrund einer fragwürdigen Strategie-Entscheidung zum Rennende bugsierte sich McLaren auf dem Hungaroring in ein moralisches Dilemma. Da nicht wie üblich der Führende Piastri zuerst zum letzten Boxenstopp gerufen wurde, sondern sein knapp dahinter fahrender Teamkollege Norris, konnte dieser den 23-Jährigen überholen. Drei Runden vor Rennende ging Norris mit dem zweiten Grand-Prix-Sieg vor Augen nach Intervention seines Teams aber vom Gaspedal.

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„Ich habe es nicht verdient, das Rennen zu gewinnen. So einfach ist das. Ich hätte gar nicht in dieser Position sein dürfen“, sagte Norris etwas später. Zwar gab er zu, an die Weltmeisterschaft gedacht zu haben, am Ende wollte der 24-jährige Brite aber ein Teamplayer sein. Die in der TV-Übertragung ausgestrahlten Funksprüche hätten zudem ein falsches Bild transportiert. „Ich wusste, dass ich den Platz sowieso zurückgeben werde“, betonte Norris. Eigentlich wollte er auf die letzte Kurve in der letzten Runde warten. Als sein Team ein mögliches Safety Car ins Spiel brachte, änderte er seine Meinung.

„Wir hätten es uns einfacher machen können“, sagte Piastri und grinste. Für den Australier, der im Vorjahr im Sprint von Katar schon einmal aufs oberste Stockerl gefahren war, ging mit dem ersten Grand-Prix-Sieg im 35. Rennen ein Kindheitstraum in Erfüllung. Piastri ist heuer bereits der siebente Saisonsieger. Während Norris in der Fahrerwertung nach dem 13. von 24 Rennen weiter einen Respektabstand von 76 Punkten auf Verstappen hat, liegt McLaren in der Konstrukteurswertung nur noch 51 Zähler hinter Red Bull Racing.

Verstappen erwischte in Mogyorod einen Tag zum Vergessen und kritisierte sein Team ungewohnt häufig am Boxenfunk. „Die Strategie war sehr schlecht. Wir haben alle Informationen, vielleicht muss ich das mal einbauen ins Auto und es selber machen“, reagierte der Triple-Champion süffisant. Sein langjähriger Renningenieur Gianpiero Lambiase hatte zuvor genervt auf die Wutausbrüche des Niederländers reagiert. „Das ist kindisch im Funk, kindisch“, sagte er.

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Nach einem Crash mit Mercedes-Pilot Lewis Hamilton, der am Ende als Dritter über sein 200. Podium in der Königsklasse jubelte, musste sich Verstappen mit Rang fünf begnügen. Von den Stewards erhielt er am Sonntagabend zumindest keine Strafe für den Vorfall, keiner von den beiden Rivalen hatte eindeutig Schuld.

Red-Bull-Teamchef Christian Horner erklärte später, er glaube nicht, dass Lambiase mit seiner harschen Antwort Verstappen gemeint hat, sondern den Funkverkehr der Konkurrenz. „Andere Teams haben offensichtlich auf eine Strafe gedrängt, weil die Stewards auch den Funk abhören“, so Horner. Er sagte auch, das Team werde hinter verschlossenen Türen die Fehler besprechen.

Zumindest ein wenig Verständnis zeigte Red-Bull-Motorsportberater Helmut Marko. „Er hat sich mehr vom Upgrade erwartet“, sagte der Steirer. Außerdem sei es Verstappen nicht so gewohnt, richtig hart kämpfen zu müssen. „Wir führen in beiden Weltmeisterschaften. Es ist nicht so, dass alles verloren wäre“, ergänzte Marko.

Zum entscheidenden Faktor im Kampf um die Konstrukteurs-WM könnte weiter Vizeweltmeister Sergio Perez avancieren. Der Mexikaner schaffte es seit bereits sieben Rennen nicht mehr in die Top 6, in Ungarn verbesserte er sich nach einem Qualifying-Crash dank einer guten Strategie aber noch um neun Positionen auf Platz sieben. Seine Zukunft beim Austro-Rennstall entscheidet sich nach dem kommenden Wochenende in Belgien, dem letzten Rennen vor der Saisonpause.

„Am Montag nach Spa fliege ich nach England und bespreche mit (Teamchef Christian) Horner die Vorgangsweise“, sagte Marko. Horner meinte, Perez sei ein gutes Rennen gefahren, eines seiner besten seit Monaten. „Er hatte eine gute Pace und konnte einige gute Überholmanöver zeigen, was ihm hoffentlich viel Selbstvertrauen gegeben hat.“

Der 81-jährige Marko erklärte, dass die Teamwertung für die Mitarbeiter aufgrund der finanziellen Boni bei einem Titelgewinn besondere Relevanz habe. Diverse Leistungsklauseln im Perez-Vertrag, die der 34-Jährige derzeit wohl nicht erfüllt, könnten einen baldigen Wechsel im zweiten Red-Bull-Cockpit zur Folge haben. Verstappen steht jedenfalls hinter seinem Kollegen. „Ich unterstütze ihn jedes Wochenende. Ich beantworte ihm alle Fragen, auch vom Setup her“, betonte Verstappen im ORF-Interview. „Ich habe ein sehr gutes Verhältnis mit ihm, das ist gar kein Problem.“

Vor dem Grand Prix auf dem Traditionskurs in Spa scheint McLaren jedenfalls den schnellsten Boliden zu haben. „Wir sind hinter McLaren, aber relativ knapp“, schätzte Marko die derzeitigen Kräfteverhältnisse ein. Das Team müsse nun mehr arbeiten, es müsse mehr kommen. „Bei McLaren sind beide Fahrer saustark. Auch das Auto ist top, wurscht bei welchen Temperaturen und mit welchen Reifen.“

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