„Sehe jetzt alles mit anderen Augen“

Sofia Polcanova über Erfolg, das Leben als „Exotin“ in der TT-Weltspitze und ihr Herzensprojekt

Sofia Polcanova (28) ist stolz, dass sie Österreichs Fahne bei der Eröffnung der European Games 2023 tragen darf.
Sofia Polcanova (28) ist stolz, dass sie Österreichs Fahne bei der Eröffnung der European Games 2023 tragen darf. © ÖOC/Niklas Stadler

Als 14-Jährige wanderte Sofia Polcanova 2008 alleine von Moldau nach Linz aus und entwickelte sich zur besten Tischtennis-Spielerin Europas. 2022 erklomm die Linkshänderin als Europameisterin in Einzel und Doppel endlich den Thron. Nun hat Polcanova (Linz AG Froschberg), die Ehre, das rot-weiß-rote Team bei den European Games (21. Juni bis 2. Juli) in der polnischen Region Malopolska (Kleinpolen) anzuführen.

VOLKSBLATT: Was bedeutet es für Sie, die rot-weiß-rote Fahne bei der Eröffnung tragen zu dürfen?

POLCANOVA: Das ist eine sehr große Ehre und hat eine große Bedeutung für mich. Ich musste nicht lange überlegen, als man mich gefragt hat.

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Sie werden die Aufgabe ja im Duett mit Lukas Weißhaidinger wahrnehmen. Bekommt Österreich zwei Fahnen?

Nein, es gibt nur eine. Wir werden das schon schaffen (lacht).

Mit welchen Erwartungen und Zielen reist die regierende Europameisterin nach Polen?

(lacht) Ich rede da nicht so gern darüber, hoffe einfach, dass ich mein bestes Tischtennis zeigen kann. Bis jetzt ist es gut gelaufen bis auf die WM. Dort hatte ich leichte körperliche — ich nenne es Komplikationen.

Was meinen Sie damit genau?

Das rechte Knie sagte ‚Servus‘. Ich habe dort einen Knorpelschaden. Der Kalender ist straff, aber jetzt geht es mir schon viel besser als bei der WM. Ich mache jeden Tag Physiotherapie. Das Training funktioniert immer besser, ich bin bereit.

Apropos Kalender: Die Turniere wurden mehr, die Preisgelder mit den neuen Serien deutlich erhöht. Lebt es sich als Tischtennis-Spielerin jetzt viel besser?

Doch, ja. Man kann sich nicht beschweren. Aber ich bin schon froh, dass der Verband die Kosten übernimmt. Sonst wäre es ein Minus, denn die Turniere sind viel teurer geworden.

Hat sich durch Ihre EM-Goldmedaillen Ihr Leben eigentlich verändert?

Nein (lacht). Natürlich habe ich viele Leute kennengelernt und man erkennt mich in Linz manchmal auf der Straße. Aber im Großen und Ganzen hat sich nach außen hin nichts verändert. Für mich persönlich natürlich schon, weil der EM-Titel ein Ziel war, das ich unbedingt erreichen wollte. Ich sehe jetzt alles mit anderen Augen und muss mir neue Ziele setzen.

„Hoffen auf neue Sponsoren“

In den Top 20 der Welt sind neben Ihnen nur zwei Spielerinnen, die nicht aus China oder Japan stammen bzw. keinen asiatischen Hintergrund haben. Darf man Sie als Exotin in der Weltspitze bezeichnen?

Ja (schmunzelt). Ich bin eigentlich fast die Einzige, die da mitkämpft — und das schon so lange. Das ist schon etwas Besonderes. Ich glaube, ich war 2018 erstmals in den Top 20.

Sie haben ein Projekt für Kinder in Ihrer Geburtsstadt Chisinau ins Leben gerufen. Wie läuft es?

Die Tischtennis-Halle ist fertig, es trainieren mehr als 30 Kinder dort. Ein junger Bursche ist heuer sogar U11-Staatsmeister geworden. Das ist sozusagen der erste Erfolg, das macht mich stolz. Grundsätzlich wurde es durch die Coronakrise und den Ukraine-Krieg finanziell viel schwieriger. Wir kämpfen uns durch und hoffen, demnächst zwei bis drei neue Sponsoren zu finden.

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