Steirer Bartosch neuer ÖFB-Interimspräsident

Wolfgang Bartosch ist zum neuen Interimspräsidenten des Österreichischen Fußball-Bundes (ÖFB) gewählt worden. Das teilte der Verband am Freitagabend mit. Der 66-jährige Chef des steirischen Landesverbandes tritt die Nachfolge von Klaus Mitterdorfer an, der am 21. November seinen Hut nahm. Bartosch wurde im Rahmen der ÖFB-Präsidiumssitzung in Wien zum neuen geschäftsführenden Vorsitzenden des mit Abstand größten heimischen Sport-Fachverbandes bestellt.

Ursprünglich wäre es laut Statuten einem aus dem Kreis der vier derzeitigen Vizepräsidenten Gerhard Götschhofer (Landesverband Oberösterreich), Josef Geisler (Tirol), Johann Gartner (Niederösterreich) und Philip Thonhauser (Bundesliga) vorbehalten gewesen, auf den Chefsessel vorzurücken. Allerdings stellte sich aus diesem Quartett lediglich der aus Australien zugeschaltete Götschhofer der Wahl und erhielt drei von zwölf Stimmen – seine eigene sowie jene von Geisler und Wolfgang Zingerle (Salzburg).

Vor diesem Hintergrund berief sich ÖFB-Generalsekretär Thomas Hollerer auf einen Paragrafen, der eine Statutenänderung außerhalb der Hauptversammlung erlaubt, sollte „Gefahr in Verzug“ sein. Das Präsidium stimmte mit 9:3 für die Adaptierung, damit in der aktuellen Situation nicht nur ein Vizepräsident, sondern auch ein „normales“ Präsidiumsmitglied zum Verbandsboss aufsteigen darf, und der Weg für Bartosch war frei. Er erhielt zehn Stimmen – Zingerle votierte für den Steirer, Götschhofer und Geisler blieben in Opposition. Laut APA-Informationen kündigte Götschhofer danach an, gegen das Abstimmungsergebnis juristisch vorzugehen.

Sitzung in „unangenehmer Atmosphäre“

Bartosch sprach in diesem Zusammenhang von einer „sehr kontroversiellen Diskussion, die den eigentlichen Beginn der Tagesordnung verzögert hat. Es war leider eine sehr unangenehme Atmosphäre, Gerichtssaal-artig, wie nicht zum ersten Mal im Präsidium. Ich glaube aber, dass die Mehrheitsverhältnisse für sich sprechen.“

In Richtung Götschhofer und Geisler meinte Bartosch: „Trotzdem strecke ich die Hand immer aus und suche die Zusammenarbeit. Ich hoffe, dass wir die zwei noch irgendwie ins Boot bringen.“ Der neue ÖFB-Boss bezeichnete sich als „konsensorientiert. Ich bin überzeugt, dass ich mit meiner langjährigen Erfahrung und meinen Eigenschaften zum Wohl des ÖFB beitragen kann.“ Möglichen Querschüssen blickt er gelassen entgegen. „Ich hätte den Posten nicht angenommen, wenn ich das nicht aushalten würde.“

Bartoschs Amtszeit läuft bis zur nächsten Hauptversammlung, die nach derzeitigem Stand am 18. Mai 2025 in Bregenz über die Bühne geht. Einen längeren Verbleib in diesem Job schloss Bartosch aus und erklärte im Scherz schon vorsorglich seinen Rücktritt für die Zeit nach der Hauptversammlung. „Dazu braucht mich keiner aufzufordern“, meinte der 66-Jährige. „Ich habe eine andere Lebensplanung und in dieser Sache keine Eigeninteressen. Ich habe das Gefühl, dass ich in der jetzigen Situation einer bin, der für den ÖFB etwas Positives beitragen kann.“

Vorverlegung der Hauptversammlung „situationselastisch“

Sein Abgang als Verbandspräsident könnte durchaus schon vor dem 18. Mai erfolgen, nämlich dann, wenn die Hauptversammlung vorverlegt wird. „Wir werden den Termin situationselastisch anpassen“, erklärte Bartosch. Die Suche nach seinem Nachfolger oder seiner Nachfolgerin – Bartosch hatte sich vor Mitterdorfers Wahl 2023 unter anderem mit Hartberg-Präsidentin Brigitte Annerl zu diesem Thema unterhalten – wird wohl dauern, denn Wahlausschuss wurde noch keiner eingesetzt.

Als vorrangiges Ziel nannte der Interimschef den Beschluss einer ÖFB-Strukturreform. Noch vor Weihnachten ist in diesem Zusammenhang eine Videokonferenz mit allen daran Beteiligten geplant. Man wolle „zeitnah einen beschlussfähigen Text finden“, so Bartosch. „Der Grundsatz ist: Zuerst muss die Strukturreform beschlossen werden, dann wird über Personen geredet.“

Die Reform sieht eine Beschneidung der Kompetenzen des Präsidiums vor. „Wir wollen uns selbst einengen und die operativen Aufgaben auf die Hauptamtlichkeit übertragen. Das Präsidium soll ein echtes Aufsichtsratsorgan werden. Es geht darum, dass schnellere Entscheidungswege getroffen werden. Teilweise ist es erschreckend, wie lange Beschlüsse dauern.“ Er sei überzeugt, „dass wir die Strukturreform mit großer Mehrheit durchbringen werden. Es ist wichtig, sich auf den Sport zu konzentrieren und nicht ständig zu diskutieren, wer was wird.“

Ausschreibung des CEO-Postens noch offen

Die Reform sieht unter anderem auch die Installierung eines ÖFB-CEO vor – ob dieser Posten ausgeschrieben wird, ist noch unklar. „Wenn es jemand aus dem sportinternen Bereich sein sollte und breiten Konsens findet, erübrigt sich eine Ausschreibung. Wenn es jemand von außen sein sollte, eine reine Manager-Persönlichkeit, müsste man ausschreiben“, erklärte Bartosch.

Der Jurist und pensionierte ehemalige Direktor der steirischen Arbeiterkammer übernimmt den ÖFB in schwierigen Zeiten. Öffentlich ausgetragene Streitereien innerhalb des Präsidiums und der Disput um die noch von Mitterdorfer ausgesprochenen Kündigungen von ÖFB-Geschäftsführer Bernhard Neuhold und Hollerer schlugen hohe Wellen. Selbst Teamchef Ralf Rangnick und seine Spieler meldeten sich mit teils deftigen Aussagen zu Wort und ergriffen klar Partei für Neuhold.

Die Kündigungen von Neuhold und Hollerer bleiben aufrecht, betonte Bartosch. Das Duo ist gemäß Kündigungsfrist noch knapp sechs Monate im Amt. „Beide haben erklärt, dass sie weiter zur Verfügung stehen und sich voll einsetzen werden. Ich habe zu beiden volles Vertrauen und bin überzeugt, dass sie dieses Vertrauen nicht missbrauchen werden“, sagte Bartosch und ergänzte in diesem Zusammenhang: „Es braucht sich keiner Sorgen um den ÖFB zu machen. Die Handlungsfähigkeit ist zu 100 Prozent gewährleistet.“

Bartosch will Rangnick schnell kontaktieren

Mit Rangnick hatte Bartosch bisher noch gar keinen Kontakt, er werde aber umgehend ein Gespräch mit dem Teamchef führen. „Er ist sportlich sehr erfolgreich, hat viel Feuer reingebracht, das Team macht einen geschlossenen Eindruck und es wird attraktiver Fußball gespielt. Die große Nagelprobe wird die WM-Qualifikation.“ Der Coach stehe „außer Streit. Wir waren ja stolz, dass wir ihn überhaupt bekommen haben“, sagte Bartosch.

Die EURO-Auftritte von Rangnick und seinen Schützlingen hatten auch bei Bartosch für Begeisterung gesorgt. „Ich war privat bei der EM und bin in der Fanmeile mitmarschiert. Wenn man da sieht, wie sich die Leute in den Armen liegen und weinen, ist das ein mitreißendes Erlebnis.“

Abgesehen von der Präsidenten-Entscheidung blieben am Freitag einige Themen offen. Beschluss zum Budget 2025 gab es keinen, weil noch die WM-Quali-Auslosung am 13. Dezember abgewartet wird. Ungeklärt ist auch weiterhin die Frage des Direktaufstiegs von den Regionalligen in die 2. Liga.

Die mobile Version verlassen