Wenn die Politik mitspielt: Frankreichs Equipe im Banne der Wahl

Die Franzosen Eduardo Camavinga, Kylian Mbappe und Aurelien Tchouameni © APA/AFP/FRANCK FIFE

In Frankreichs Nationalteam ist der Fußball vor dem EM-Start am Montag in Düsseldorf gegen Österreich bestenfalls eine Randnotiz. Auf der Pressekonferenz am Sonntag hielt Kapitän Kylian Mbappe ein flammendes Plädoyer an seine Mitbürger, ihre Stimme bei der Parlamentswahl vom 30. Juni bis 7. Juli abzugeben. Bei der Wahl kündigt sich ein Sieg des rechtsnationalistischen Rassemblement National (RN) an – was Mbappe unbedingt verhindern will, ohne die Partei beim Namen zu nennen.

„Das ist ein wichtiger Moment in Geschichte unseres Landes“, lautete das Eingangs-Statement des Topstars. „Man muss die Dinge trennen. Die EM ist wichtig für uns, aber wir sind nicht abgekapselt davon, was im Moment in unserem Land passiert.“ Nun seien gerade die Jungen gefordert, betonte Mbappe. „Wir sind die junge Generation die etwas verändern kann. Man sieht, wie die extreme Rechte weiter nach vorne kommt, aber wir haben die Zukunft in der Hand“, erklärte der 25-Jährige und rief zur Wahlbeteiligung auf. „Jede Stimme zählt.“

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Der Sohn eines Kameruners und einer Algerierin machte gar kein Hehl daraus, dass ihn die aktuellen politischen Vorgänge in seiner Heimat derzeit mehr beschäftigen als die Partie gegen Österreich. „Das Spiel morgen ist extrem wichtig, aber es gibt auch eine Situation, die wesentlich wichtiger ist als dieses Spiel.“

Er stimme zwar prinzipiell der Ansicht zu, dass Politik und Sport nicht miteinander vermischt werden sollten, „aber wenn es so eine Situation wie heute ist, sehe ich das anders“. Außerdem betonte Mbappe: „Ich bin gegen Extremisten und Extreme. Ich möchte nicht in einem Land leben, das nicht unseren Werten entspricht.“

Die Franzosen gelten als einer der Top-Favoriten auf den EM-Titel, nun drohen die aktuellen politischen Ereignisse das Erreichen der sportlichen Ziele in Gefahr zu bringen. „Doch wir sind große Spieler und müssen uns an so eine Situation anpassen“, forderte Mbappe.

Im Gegensatz zum künftigen Real-Madrid-Profi vermied Teamchef Didier Deschamps eine klare Aussage gegen den Rassemblement National, wies aber gleichzeitig darauf hin, dass es seinen Spielern freistehe, wie sie sich dazu äußern. Es gebe von seiner Seite keine Ratschläge oder Vorschriften. „Jeder hat seine eigene Meinung. Sie sind großartige Fußballspieler, aber vor allem französische Bürger, die nicht abseits dieser Situation stehen, die Frankreich gerade erlebt.“

Deschamps hatte 1998 Jean-Marie Le Pen, den damaligen Chef des RN-Vorgängers Front National und Vater der aktuellen RN-Chefin Marine Le Pen, angegriffen. Dieser hatte sich abfällig über die dunkelhäutigen Spieler der damaligen Weltmeister-Mannschaft geäußert. „Ich habe das gemacht, weil Spieler angegriffen wurden, und ich war der Kapitän. Das war inakzeptabel.“ Eine klare Stellungnahme zur aktuellen Lage vermied der Weltmeister-Trainer von 2018.

Davor hatte der französische Verband vor zu großer Politisierung des eigenen Teams angesichts der bevorstehenden Neuwahlen gewarnt. In einem Statement vom Samstagabend hieß es: „Dem französischen Fußballverband liegt die Meinungsfreiheit sehr am Herzen, er unterstützt den notwendigen Aufruf zur Stimmabgabe.“ Es sei allerdings „angebracht, jegliche Form von Druck und politischer Ausnutzung des französischen Teams zu vermeiden“.

Frankreichs Spieler – die „Equipe tricolore“ ist traditionell eine multikulturelle Auswahl – hatten sich schon in den vergangenen Tagen teils sehr besorgt über die Lage im Land gezeigt. Am klarsten bezog Stürmer Marcus Thuram Position. „Die Situation in Frankreich ist traurig, sie ist ernst. Das ist die traurige Realität unserer Gesellschaft“, sagte der Stürmer.

Man müsse allen sagen, dass sie wählen gehen, „und jeden Tag dafür kämpfen müssen, dass der RN nicht durchkommt“. Sein Vater, Ex-Nationalspieler Lilian Thuram, engagiert sich seit Jahren gegen Extremismus und Rassismus ein.

Bereits am Donnerstag hatte Ousmane Dembele seine Landsleute zum Urnengang aufgerufen. „Wir müssen die Leute dazu bewegen, zur Wahl zu gehen“, sagte der Offensivspieler von Paris Saint-Germain. „Ich denke, dass in Bezug auf die Situation in Frankreich die Alarmglocken schrillen.“

Laut der Zeitung „Le Parisien“ wollen fast 40 Personen aus der französischen Delegation von ihrem Recht Gebrauch machen, eine andere Person – etwa einen Familienangehörigen – zu beauftragen, für sie im Wahllokal abzustimmen. Notwendig ist dafür unter anderem eine Vollmacht.

Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron hatte noch am Abend der Europawahl vergangenen Sonntag Neuwahlen angesetzt. Bei diesem Urnengang war der RN auf über 31 Prozent gekommen.

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