Sprachlos zwischen den Welten

„Alle reden übers Wetter“ beschloss Filmfestival Crossing Europe

Kann man beim Einkaufen über Hegel diskutieren?
Kann man beim Einkaufen über Hegel diskutieren? © Crossing Europe

Wenn man heut in Mecklenburg-Vorpommern unterwegs ist, kann es vorkommen, dass jemand sagt „Ich war vor zwei Wochen im Westen“.

Seit 1990 ist die DDR Geschichte. Das hat aber in den Köpfen der Menschen nicht unbedingt etwas zu bedeuten.

Für Clara (Anne Schäfer) ist das nicht neu. Sie ist in einem kleinen Dorf im eigentlich ehemaligen Osten Deutschlands aufgewachsen. Jetzt lebt die Enddreißigerin im hippen Berlin, macht ihr Doktorat an der Uni, wo sie auch unterrichtet. Ihr Fach: Philosophie. Die Gräben zwischen den Welten könnten kaum größer sein.

Seine Premiere feierte der Film „Alle reden übers Wetter“ bei der Berlinale, am Montag beendete er als Abschlussfilm das internationale Filmfestival Crossing Europe in Linz.

Regisseurin Annika Pinske, 1982 in der Uckermark geboren, einst Assistentin von Maren Ade („Toni Erdmann“) hat mit „Alle reden übers Wetter“ ihren ersten Spielfilm geliefert und sich einer Thematik gewidmet, die sie wohl kennt. Die Zerrissenheit zwischen alter und neuer Heimat, die Sprachlosigkeit im Dazwischen.

Es sind viele Lebensmöglichkeiten, die Clara umgeben. In Berlin ihre Kollegin, eine selbstbestimmte erfolgreiche Professorin, deren Einsamkeit Clara zu denken gibt. In der alten Heimat die Mutter, die über die großen Fragen spricht: Kirschstreusel- oder Quarkkuchen! Hegel — über ihn dissertiert Clara — ist kein Thema.

Ohne Klischees kommt Pinske nicht aus, wenn sie Clara zur Geburtstagsfeier in die Provinz schickt, auch nicht, wenn sie sie bei einer ebensolchen in den intellektuellen Berliner Kreisen begleitet, wo Clara einen Diplomaten-Vater erfindet. Die einfachen, aber grundsympathischen Menschen am Land, denen schon mal die Hand bei der Kindererziehung ausrutscht auf der einen, die verkopften Überheblichen auf der anderen Seite, die sich gegenseitig mit zynischer Häme bewerfen.

Dafür hat Claras alte Liebe ganz andere Probleme: Er hat mit 39 alles geschafft, was er sich vorgenommen hatte — Haus, Frau, Kind … — und weiß nun gar nicht mehr, was noch kommen soll. Das scheint auch Clara nicht zu wissen, und auch in keinem Kreis den richtigen Ton zu finden.

Pinkse gelingt es sehr gut, diese Zerrissenheit in einem ruhigen Ton zu erzählen, Clara — und auch ihre pubertierende Tochter — bleiben dabei als Hauptfiguren leider etwas blutleer.

Von Mariella Moshammer

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