Startenor Villazon wurde unter der Dusche entdeckt

Startenor Rolando Villazón über seinen Auftritt in Gmunden, seine Karriere und Corona

Gute Laune ist eines seiner Markenzeichen: Rolando Villazón
Gute Laune ist eines seiner Markenzeichen: Rolando Villazón © Wolfgang Lienbacher

Vor wenigen Tagen aus Frankreich zurück, stand der viel beschäftigte Tenor Rolando Villazòn dem VOLKSBLATT für ein Gespräch zur Verfügung, in dem es um das Eröffnungskonzert der Salzkammergut Festwochen am 4. Juli 2021 ging, bei dem der Startenor auftreten wird. Es spielt, wie berichtet, das Bruckner Orchester Linz unter Chefdirigent Markus Poschner. Das Interesse übertrifft alle Erwartungen, sodass auch die Generalprobe am 2. Juli im Toscana Park Open Air zum freien Verkauf angeboten wurde und die Plätze bereits heute zu einem Großteil vergeben sind.

VOLKSBLATT: Das Programm ist bewusst spartenübergreifend angelegt und auch ihr vokaler Beitrag ist nicht auf ein bestimmtes Fach konzentriert. Sie singen ein Schubert-Lied, eines von Erich Wolfgang Korngold, aber auch Stücke aus Operetten. Was liegt ihnen besonders am Herzen?

ROLANDO VILLAZON: Ich versuche, mit jedem Stück die Herzen des Publikums zu erreichen. Die Welt der klassischen Musik ist so vielfältig, jede Zeit hat ihre wunderbaren Komponisten und herrliche Musik. Ich bin dankbar, dass ich sozusagen „aus dem Vollen“ schöpfen kann. Zu meinem Repertoire zählen Barockopern, Werke von Mozart, Verdi, Offenbach, Tschaikowsky, und ich studiere derzeit den Loge aus dem „Rheingold“ ein. Ich liebe die musikalische Vielfalt meiner lateinamerikanischen Heimat genauso wie den Belcanto, spanische Zarzuelas oder natürlich die Wiener Operette. Dass so viele Komponisten mit der Region in Gmunden verbunden sind, ist natürlich für uns Künstler großartig, da uns das tolle Möglichkeiten bietet, ein wunderbares Programm zusammen zu stellen.

Sie stammen aus Mexiko, wo nicht unbedingt die Pflege der klassischen Musik selbstverständlich ist. Wie haben Sie es als Sänger geschafft, eine Weltkarriere aufzubauen bis zu einem Spitzenplatz unter den Tenören?

Die klassische Oper in der europäischen Tradition ist tatsächlich nur ein Teil der reichen Kulturlandschaft Mexikos, auch wenn es dort viele Opernliebhaber gibt. Ich finde es auch sehr wichtig, mexikanischen Künstlern, Komponisten, Choreografen Plattformen zu bieten, denn die Bewahrung unserer eigenen mexikanischen Kultur ist von großer Qualität. Ich selbst wurde unter der Dusche entdeckt. Ein Freund unserer Nachbarn Arturo Nieto hörte mich singen und holte mich an sein Konservatorium. Dort studierte ich Gesang, Tanz und Schauspiel und entdeckte meine große Leidenschaft für die Oper. Dann gewann ich zwei Gesangswettbewerbe in Mexiko, kam 1998 in das Young Artist Programm der San Francisco Opera und war 1999 Preisträger des weltbedeutenden Gesangswettbewerbs OPERALIA von Placido Domingo.

Wollten Sie immer schon Sänger werden? Wo debütierten Sie?

Meine internationale Karriere begann 199O mit dem Debüt als „Des Grieux“ in Massenets Oper „Manon“ in Genua. Schon als Kind schlüpfte ich gerne in Rollen und habe es geliebt, zu spielen. Ich wollte Don Quichotte sein oder Gandhi, später wollte ich Lehrer, Clown oder Priester werden. Später, schon als erfolgreicher Sänger, wollte ich nie nur der Tenor Villazon, sein sondern immer Rolando Villazon. Wenn man verschiedene Interessen und Leidenschaften hat, sollte man diesen nachzugehen versuchen und möglichst frei sein. Das Leben ist vielseitig.

In Österreich sangen Sie anfangs in Bregenz den Rudolf in Puccinis „La Bohème“, also das italienische Fach als Spinto-Tenor. Der Umstieg auf Mozart war dann ungewöhnlich…

Für mich hat immer gezählt, was möchte ich heute, jetzt singen. Was inspiriert mich. Womit kann ich mich und mein Publikum glücklich machen. Es gibt Rollen, die ich singen könnte, aber aus verschiedenen Gründen nicht singen möchte. Es gibt Partien wie z. B. den Papageno oder Loge, die unterschiedlicher nicht sein könnten, aber beide reizen mich und machen mir Spaß. Eine bestimmte Entwicklung ist schwer festzumachen für mich. Vieles hängt davon ab, welche Chancen man als junger Sänger erhält.

Aus gesundheitlichen Gründen mussten Sie einmal eine Zwangspause beim Singen einlegen. Hatten Sie auf eine so erfolgreiche Rückkehr gehofft?

Ich hatte vor über zehn Jahren eine genetisch bedingte Zyste am Stimmband, die operativ entfernt wurde. Ein schwerer Eingriff. Aber ich habe immer an eine Rückkehr geglaubt. Ja, es hat funktioniert. An eine Bestimmung für meinen Beruf glaube ich nicht. Ich bin meinen Leidenschaften gefolgt. Daraus ergaben sich viele Möglichkeiten. Wenn man alles, was man tut, authentisch und mit Spaß macht, das spüren die Menschen. Theater lag mir im Blut. Es stimmt, einmal wollte ich Priester werden, aber nicht aus Glaubensgründen, sondern aus Interesse an Philosophie. Ich wollte wissen, wie es ist, ohne Besitz zu leben. Bis ich feststellte, dass die Kirche sehr reich ist. Mit 18 habe ich mir als Clown auf Kindergeburtstagen Geld verdient. Heute noch besuche ich als Botschafter der „Roten Nasen“ kranke Kinder im Krankenhaus.

Sie sind auch Intendant der Salzburger Mozartwoche und leben auch da ihre Theaterleidenschaft aus. Kommt der Sänger Villazon nicht zu kurz?

Keineswegs. Nach Gmunden folgen Auftritte als Sänger in Prag, beim Musikfestival Schleswig-Holstein und, wie gesagt, als Loge. Für die Mozartwoche bin ich weiterhin oft in Salzburg und in zoom calls mit meinen Kollegen. Eine fantastische Aufgabe, der ich mit vollem Elan nachgehe.

Eine besondere Herausforderung ist wohl die Rolle des Loge in Richard Wagners „Rheingold“ unter Daniel Barenboim in Berlin. Und damit die Eroberung des Wagner-Fachs.

Absolut! Ohne Herausforderungen wäre das Leben ja langweilig. Die Rolle des Loge ist fantastisch. Das Spielerische an Loge, ein spannender Charakter.

Haben Sie Vorbilder?

Domingo ist für mich der größte Opernsänger aller Zeiten. Seinetwegen bin ich Opernsänger geworden. Domingo hat eine unglaubliche Konstitution, Disziplin, unendliche Energie, dazu eine ungewöhnliche Bühnenpräsenz.

Welche Zukunftspläne haben sie? Werden sie vielleicht einmal unterrichten?

Vielleicht, bestimmte Pläne habe ich derzeit nicht. Vorläufig fördere ich junge Musiker mit meiner Sendung „Stars von morgen“ auf Arte.

Sie sprechen sehr gut deutsch. Wo haben Sie die Sprache erlernt?

Meine Urgroßmutter stammte aus Österreich und wollte, dass ich die Kultur ihrer Heimat kennenlerne. Daher ging ich auf die einzige deutsche Schule in ganz Mexiko, das Colégio Alemán Alexander Humboldt.

Wie erging es ihnen in der Corona-Zeit?

Ich habe letztes Jahr im März/April während des Lockdowns mein Haus in Paris für 62 Tage nicht verlassen. Eine absolut neue Erfahrung für mich. Zum Glück habe ich mehrere Standbeine. Ich habe so viele Zoom-Calls wie in meinem ganzen Leben nicht, gemacht, alle für die Mozartwoche. Und ich habe mit dem wunderbaren Xavier de Maistre ein Album „Serenata latina“ eingespielt. Ein Glücksfall bei dem über Monate hindurch dauernden Berufsverbot für Musiker, worunter alle Kollegen litten.

Freuen sie sich auf das Konzert am 4. Juli in Gmunden?

Und wie, ich habe mein Publikum so sehr vermisst. Das Live-Erlebnis kann ja doch nichts ersetzen.

Mit ROLANDO VILLAZÓN sprach Georgina Szeless

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