„Sturmtief Annegret“ wirbelt CDU durcheinander

Thüringen-Krise hat Folgen: Kramp-Karrenbauer wirft nach 14 Monaten an der CDU-Spitze Handtuch

Während „Sturmtief Sabine“ über Deutschland hinwegfegte, wirbelte es am Montag auch in der CDU: Annegret Kramp-Karrenbauer verkündete 14 Monate nach ihrem Amtsantritt überraschend ihren Abgang als Parteichefin und Verzicht auf die Kanzlerkandidatur.

Verteidigungsministerin will sie auf Wunsch von Bundeskanzlerin Angela Merkel, die ihre Karriere gefördert hatte, allerdings bleiben.

Entscheidung im Sommer

Da die 57-Jährige auch noch so lange Parteichefin bleiben will, bis die Kandidatenfrage gelöst ist, steht wie im vergangenen Jahr bei der SPD nun bei der CDU eine monatelange Führungsdebatte bevor. Im Sommer solle die Frage der Kanzlerkandidatur geklärt werden. Dieser Kandidat solle dann, so Karmp-Karrenbauer, auf dem Parteitag im Dezember zu ihrem Nachfolger an der CDU-Spitze gewählt werden. Die Kür eines Kanzlerkandidaten und Parteivorsitzenden per Mitgliederbefragung, wie es etwa die konservative Werteunion fordert, lehnt sie ab.

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Autoritätsverlust

Mit ihrem Schritt zog Kramp-Karrenbauer die Konsequenz aus dem massiven Autoritätsverlust infolge der Thüringen-Krise. Dort hatte die

Landes-CDU vergangene Woche gegen Kramp-Karrenbauers ausdrücklichen Wunsch den FDP-Mann Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten gewählt — und dabei mit der AfD zusammengespielt, auf deren Stimmen Kemmerich angewiesen war. Am Donnerstag war Kramp-Karrenbauer bei einer Krisensitzung in Erfurt mit dem Versuch gescheitert, die CDU-Fraktion von Neuwahlen zu überzeugen. Dieser Fehlschlag hatte die Zweifel an ihrer Durchsetzungsfähigkeit massiv verstärkt.

Wer wird Nachfolger?

Kramp-Karrenbauer nannte noch weitere Gründe für ihren Rückzug. „Die Trennung von Kanzleramt und Parteivorsitz, die offene Frage der Kanzlerkandidatur, schwächt die CDU“, sagte sie. Es habe sich „bis in die jüngsten Tage gezeigt“, dass mit der Trennung „eine ungeklärte Führungsfrage einhergeht“.

Wer „AKK“ an der CDU-Spitze beerben und damit auch Kanzlerkandidat werden soll, ist völlig offen. Die drei am Montag genannten Kandidaten — Friedrich Merz, Armin Laschet und Jens Spahn — hielten sich bedeckt. Sie äußerten ihren Respekt für die scheidende Vorsitzende und mahnten ihre Partei zur Geschlossenheit.

Platzt nun auch „GroKo“?

Die CDU-Krise wirkt sich nicht gerade stabilisierend auf die Große Koalition aus, auch wenn SPD-Chef Norbert Walter-Borjans das Bündnis mit der Union am Montag nach Beratungen des Parteivorstands in Berlin als derzeit nicht gefährdet einstufte. Ex-SPD-Chef Sigmar Gabriel sieht dagegen schwarz für die „GroKo“: „Ich vermute, es dauert nicht mehr lange, dann gibt es Neuwahlen.“

AfD und Linke wittern Morgenluft

Die CDU-Krise nährt sowohl bei der rechtspopulistischen AfD als auch bei der Linkspartei Hoffnungen auf eine Aufweichung der strikten Abgrenzung der CDU vom rechten und linken Rand.

„Es ist völlig unsinnig und realitätsfern, auf Dauer nicht mit der AfD zusammen arbeiten zu wollen“, sagte AfD-Bundestagsfraktionschef Alexander Gauland, der bis 2013 CDU-Mitglied war. Kramp-Karrenbauer habe „die CDU mit ihrem Ausgrenzungskurs ins Chaos gestürzt“. Mit Blick auf Thüringen kritisierte er, die Union wolle lieber Politiker der Linken „in Staatsämter hieven als mit uns auch nur zu reden“.

Genau darauf hofft der vorigen Mittwoch abgewählte thüringische Ex-Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke). Er will sich übernächste Woche im Landtag der Wahl stellen und setzt auf „klare Vereinbarungen“ mit Teilen der CDU, wie er am Montag sagte. Die bisherigen Koalitionspartner Linke, SPD und Grüne haben keine Mehrheit im Erfurter Landtag. Sie sind bei der Ministerpräsidentenwahl in den ersten beiden Wahlgängen auf mindestens vier Stimmen von CDU und FDP angewiesen.

Der vorigen Mittwoch mit den Stimmen von CDU und AfD gewählte FDP-Mann Thomas Kemmerich war am Samstag nach massivem Gegenwind aus der eigenen Partei und der Bundes-CDU zurückgetreten. Ramelow sagte, er habe durch zahlreiche Gespräche den Eindruck, dass einige Abgeordnete jenseits von Rot-Rot-Grün „emotional wissen, worauf es ankommt – nämlich auf eine handlungsfähige Landesregierung“.

Die FDP beklagt seit der Kemmerich-Wahl Übergriffe in ganz Deutschland. Abgeordnete, Unterstützer und deren Angehörige würden bedroht, FDP-Büros beschmiert.

Kampf um CDU-Vorsitz und Kanzlerkandidatur ist eröffnet

Im Kampf um den CDU-Vorsitz werden drei Kandidaten genannt, bei der Kanzlerkandidatur der Union könnte ein vierter Mann mitmischen.

Friedrich Merz (64): Der Jurist, Finanzexperte, glänzender Redner wurde 2002 von Merkel vom CDU/CSU-Fraktionsvorsitz verdrängt. 2018 versuchte er ein Comeback, unterlag aber Kramp-Karrenbauer. Jetzt könnte er einen neuen Anlauf nehmen. Er würde die CDU konservativer positionieren, was aber ein Problem verschärfen könnte: Wählerverlust an die Grünen. Einer RTL/ntv-Umfrage zufolge favorisieren die Deutschen aber Merz.

Armin Laschet (58): Der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen gilt als loyaler Merkelianer, der einen eher liberalen Kurs steuert. Manfred Güllner, Chef des Forsa-Meinungsforschungsinstituts Insa, traut ihm am ehesten zu, für die Union Wähler von den Grünen zurückzuholen und eine weitere Abwanderung zu verhindern.

Jens Spahn (39): Der ehrgeizige Gesundheitsminister hat sich als konservativer Kritiker der Kanzlerin profiliert und im Rennen um den CDU-Vorsitz schon 2018 den Hut in den Ring geworfen. Der mit Kanzler Sebastian Kurz befreundete jüngste Minister würde auch einen Generationswechsel symbolisieren.

Markus Söder (53): Um den CDU-Chefsessel geht es für den CSU-Vorsitzenden natürlich nicht, aber bei der Kanzlerkandidatur für die Union kann er mitmischen. Seit knapp einem Jahr arbeitet er als Bayerns Ministerpräsident an der Mutation vom Scharfmacher zum milden Landesvater.

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