Superhelden haben erst recht Angst

Landestheater-Premiere von „Angstmän“: Panisches Kammerspiel von Hartmut El Kurdi

Der Schurke und der „Held“: Julia Carina Wachsmann als Pöbelmän und Friedrich Eidenberger spielt Angstmän, einen großen intergalaktischen Hasenfuß.
Der Schurke und der „Held“: Julia Carina Wachsmann als Pöbelmän und Friedrich Eidenberger spielt Angstmän, einen großen intergalaktischen Hasenfuß. © Petra Moser

Zugeh’n tut’s an der Superheldenschule! Statt ab der ersten Klasse Grundfächer wie „Bäume ausreißen“ oder „Von Hochhäusern springen“ lehrplangemäß zu studieren, wird dort gemobbt und gequält. Dreimal bleibt er als „Lernschwacher“ sitzen, als Angstmän verlässt er die Schule.

Noch immer fürchtet er sich vor Pöbelmän, seinem Ex-Klassenkollegen, der fiesesten Ratte im Universum. „Angstmän“, ein panisches Kammerspiel von Hartmut El Kurdi für Kinder ab acht Jahren, feierte am Sonntag in den Linzer Kammerspielen seine Premiere.

Gebrochener Arm kann Sofie Pint nicht stoppen

Die neunjährige Jennifer ist wie schon oft alleine zu Hause, ihre alleinerziehende Mutter musste eine Nachtschicht einlegen. Der im realen Leben frisch gebrochene Arm (samt Gips bis über die Schulter) beeinträchtigt weder Tempo noch Spielfreude der Hauptdarstellerin Sofie Pint – ungehindert fliegt sie sogar durchs Universum, in jeder Hinsicht Superheldin Jennifer-Män. Erst am Schluss korrigiert sie musikalisch auf Jennifer-„Wo“-man!

Das Mädchen arbeitet ihre Liste ab, ganz nach „Was ich immer schon einmal machen wollte, obwohl es verboten ist“. Mit Schuhen aufs Sofa, Pizza bestellen, vor dem Fernseher einpennen.

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Ein unheimliches Geräusch im Kasten. Die mutige Jennifer, obwohl „I werd’ narrisch“ Fußballerin des Jahres 2035, fürchtet sich ja trotzdem vor Monstern und Einbrechern.

Baumlang, spindeldürr, im blauglänzenden Superheldenkostüm, ein großes A wie Angstmän auf der Brust, windet sich Friedrich Eidenberger als größter intergalaktischer Schisshaber aus dem Kasten. Dort gelandet, weil sein Teleporter auf der Flucht vor Pöbelmän kaputtging. Dreimal schon umrundet dieser die Drehbühne.

Mit Hingabe spielt Julia Carina Wachsmann den schiachen, wamperten Schurken. Als Pizzabote steht er plötzlich vor der Tür. Dringend muss er aufs Klo, wo er Ansätze klassischer Musik furzt. Nicht nur hier ein Lob an Tonregie und –technik (Alex Konrad). In Super-slow-Motion treffen die Helden aufeinander, Sounds und Geschrei inszeniert Regisseurin Fanny Brunner wie große Oper. Angstmän macht sich aus dem Staub.

Pöbelmän fesselt Jennifer, droht ihr Foltern und Vierteilen an, weit schlimmer: „in die Jausendose furzen“ – gesteigert noch durch Singen, Tanzen und Ekel. Der Gesang reißt das Publikum mit, Grausen löst die Nasenpopelsammlung aus. Dennoch verkosten Zuschauer aus der ersten Reihe ungeniert die grün bis roten Popel aus den Rexgläsern. David Angermayr, für Bühne und Kostüme zuständig, liefert eines der Glanzstücke mit einem so grauslich wie liebenswerten leibhaftigen Nasenrammel. Wie Antihelden zu Helden werden, und warum einer auch bösartig werden kann, erklärt das märchenhafte Finale im Flug durch die Galaxie und zurück ins Plattenbau-Wohnzimmer mit Erwachsenen, die keine Ahnung von diesen Wirklichkeiten haben. Sehenswertes 80-minütiges Kammerspiel mit viel Applaus von Kindern und Erwachsenen.

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