Superintendent Lehner: „Die Gemeinschaft funktioniert“

Für Superintendent Lehner hat evangelische Kirche die Abbremsung „erstaunlich gut“ gemeistert

Superintendent Gerold Lehner
Superintendent Gerold Lehner © Kirchentag

VOLKSBLATT: Schon im Vorjahr war die Feier des Karfreitages getrübt, wie werden Sie persönlich den Karfreitag heuer begehen?

LEHNER: Es ist insofern alles ein wenig anders, als wir sowohl den Karfreitagsgottesdienst als auch den Ostergottesdienst bereits jetzt als Video aufgezeichnet haben, um ihn auf die Homepage der Pfarrgemeinde Thening stellen zu können. Am Karfreitag selbst werden wir als „Hausgemeinde“ den Gottesdienst feiern. Wir empfinden uns dann besonders im Gebet, im Bekenntnis unseres Glaubens und im Vaterunser mit allen Christen weltweit verbunden.

Und wie schaut Ihr Alltag im Corona-Krisenmodus aus?

Ich habe den Vorteil, dass bei mir Arbeits- und Wohnort zusammenfallen. Ich schreibe viele Briefe und Artikel, telefoniere, halte Video-Konferenzen usw. Schön ist es in Zeiten wie diesen, als Familie zu leben und sich am Frühling zu freuen. Schwierig ist es, dass man zu manchen Familienmitgliedern nur über Telefon Kontakt hat.

Stich.wort

Evangelische Kirche in Oberösterreich

Gerold Lehner ist seit Oktober 2005 Superintendent der evangelischen Kirche in Oberösterreich, deren Diözese ist identisch mit den politischen Grenzen des Bundeslandes. Das Amt des Superintendenten entspricht dem Bischofsamt. Die evangelische Diözese Oberösterreich zählt knapp 48.000 Mitglieder, das sind etwas mehr als drei Prozent Anteil an der Gesamtbevölkerung. Zum Vergleich: Rund 63 Prozent der Oberösterreicher sind katholisch. Die Diözese gliedert sich in 34 Pfarrgemeinden, acht Tochtergemeinden und rund 45 Predigtstellen, es gibt in etwa 50 hauptamtliche Pfarrerinnen und Pfarrer. Als schmerzhaft empfunden wird, dass der Karfreitag als höchster protestantischer Feiertag seit dem Vorjahr auch für Protestanten ein Arbeitstag ist. Den bis dahin bestehenden Sonderfeiertag hatte der Europäische Gerichtshof als unzulässige Diskriminierung anderer Arbeitnehmer bewertet.
Alle Gottesdiensttermine in TV und Radio: religion.orf.at

Grundsätzlich: Wie hat die evangelische Kirche in Oberösterreich die „Abbremsung“ gemeistert?

Erstaunlich gut. Die Vernetzungen und Absprachen haben sehr gut funktioniert. Es ist ein großer Vorteil, dass unsere Kirche ihren Schwerpunkt in den Pfarrgemeinden hat und diese sehr autonom agieren können. Das Zusammenspiel von Pfarrgemeinden, Diözese und Gesamtkirche ist erfreulich gut. Alle helfen mit und bringen sich mit ihren Fähigkeiten ein. Das macht mich sehr dankbar.

Gerade Religion lebt von der Gemeinschaft. Wie kann das in Corona-Zeiten funktionieren? Anders gefragt: Wie hat kirchliches Leben in der Corona-Krise funktioniert?

Die Gemeinschaft, die vorhanden ist, funktioniert auch weiterhin. Die persönlichen und institutionellen Netzwerke halten und werden jetzt auf andere Art und Weise wahrgenommen. Man kümmert sich um einander und achtet auf die, die alleine sind. Wir haben vielfach an ältere Gemeindeglieder Briefe geschrieben, um so unsere Verbundenheit auszudrücken. Das wird sehr geschätzt.

Und welche Angebote gibt es für die Gläubigen etwa am Karfreitag?

Es gibt Aufzeichnungen von Gottesdiensten aus verschiedenen Gemeinden — etwa aus Linz, Vöcklabruck, Wallern, Thening u.v.a. — im Internet, es gibt einen Gottesdienst auf AT1 und im ORF mit Bischof Chalupka. Dazu kommen vielfältige Angebote, die per Mail ausgeschickt werden und auch Hilfestellungen, um alleine oder im Kreis der Familie feiern zu können.

Die Menschen haben derzeit viele Ängste und Sorgen. Wie kann die Kirche helfen und trotzdem Abstand halten?

Die Kirche lebt in der Hinwendung zu dem, der uns geschaffen hat, der unsere Hoffnung ist im Alltag und in Zeiten der Krise. Der uns die Schwierigkeiten nicht erspart, aber der bei uns ist in den dunklen Tälern. Was wir als Kirche tun und wozu wir ermutigen ist: Vertrauen zu fassen zu dem, dessen Liebe zu uns gerade am Karfreitag unübersehbar sichtbar geworden ist. Wir haben das Leben nicht in der Hand. Aber wir nehmen es aus Gottes Hand. Und das macht einen großen Unterschied. Das gibt uns Gelassenheit und Zuversicht, auch wenn es eng wird.

Vor Gott die Frage stellen: Was ist gut?

Was kann man sich persönlich und was soll die Institution Kirche aus der derzeitigen Krise für den Alltag mitnehmen — etwa das neue digitale Angebot?

Für mich ist nicht die digitale Frage wichtig, sondern etwas anderes. Die Reduktion, zu der wir gezwungen waren, stellt uns die Frage, ob wir als Gesellschaft in Zukunft wieder genauso weiterleben wollen und können wie vorher. Wir müssen, um unserer Welt willen, ernsthaft über die Frage des Verzichts nachdenken. Die Reduktion sollte uns auch darüber nachdenken lassen, wo und wie eine Gesellschaft Prioritäten setzen sollte. Und schließlich wünsche ich mir eine Gesellschaft, die in Demut anerkennt, dass die Welt in der wir leben eine Gabe ist, die wir von Gott empfangen haben. Vor Gott sollten wir uns die Frage stellen: Was ist gut? Und nicht: Womit können wir möglichst viel Geld machen.

Und was wünschen Sie sich für den Karfreitag 2021?

Jeder Karfreitag ist eine Erinnerung daran, dass wir aus der Liebe Gottes leben und durch sie frei werden, unseren Nächsten und uns selbst zu lieben. Ich wünsche mir einen Karfreitag, an dem diese Botschaft über die Bedürfnisse des Profits gestellt wird, und wir diese Botschaft gemeinsam feiern können.

Die Fragen an Superintendent GEROLD LEHNER stellte Herbert Schicho

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