Toleranz und Aufklärung: Barbara Frischmuth ist 80

Österreichische Schriftstellerin und Übersetzerin als Vermittlerin zwischen den Welten

Stiftstellerin Barbara Frischmuth bei einem Fototermin im Mai diesen Jahres in Altaussee.
Stiftstellerin Barbara Frischmuth bei einem Fototermin im Mai diesen Jahres in Altaussee. © APA/Barbara Gindl

Die Schriftstellerin Barbara Frischmuth, die sich in ihren Büchern intensiv mit anderen Kulturen und Ideologien auseinandersetzt, hat in der Türkei und in Ägypten, in Ungarn und England gelebt, ehe sie 1999 nach Altaussee zurückkehrte.

Am Montag (5.7.) feiert sie ihren 80. Geburtstag. „Das Altwerden gehört zum Natürlichsten der Welt. Wenn man nicht alt werden will, gibt es nur eine Alternative: früh sterben. Und das habe ich verabsäumt“, meinte sie kürzlich im Interview mit der Austria Presse Agentur.

Gleich zwei neue Bücher sind in den vergangenen Monaten von ihr erschienen. „NATUR und die Versuche, ihr mit Sprache beizukommen“ fasste zwei Vorlesungen im Literaturhaus Graz zusammen: faszinierende Lesefrüchte und weit ausholende Gedanken über das Verhältnis Mensch und Natur und das Schreiben darüber.

Kurz darauf erschien der Erzählband „Dein Schatten tanzt in der Küche“, aus dem Frischmuth am 22. Juli im Kur- und Amtshaus Altaussee lesen wird. Eigentlich habe sie der Verlag um einen „Best of“-Erzählband zum Geburtstag gebeten, zu dem sie bloß ein, zwei neue Erzählungen schreiben wollte. „Dann hat eines das andere ergeben. Es war wie Contact Tracing von einer Figur zur nächsten“, so Frischmuth. Es sind starke Frauen, aber ungerechte gesellschaftliche Verhältnisse und unerwartete Schicksalsschläge, von denen sie erzählt.

Spazieren statt Reisen

Ihr bisher letzter Roman „Verschüttete Milch“ behandelte 2019 mit starken autobiografischen Bezügen eine Kindheit in Altaussee. Romane seien ihr mittlerweile zu aufwendig, ebenso wie Reisen, erzählt Frischmuth. „Ich bin soviel gereist. Alleine in den USA war ich zwölf oder dreizehn Mal. Dazu habe ich keine Lust mehr. Dazu fühle ich mich zu alt. Lieber gehe ich regelmäßig mit meinem Mann spazieren.“ Seit 1988 ist sie in zweiter Ehe mit dem Psychiater und Neurologen Dirk Penner verheiratet.

Frischmuth wurde am 5. Juli 1941 in Altaussee geboren. Nach dem Tod ihres Vaters, der im Zweiten Weltkrieg in Russland fiel, wuchs sie bei ihrer Mutter auf, die in Altaussee bis Mitte der 1950er-Jahre das „Parkhotel“ führte. Die Lektüre von „Tausendundeine Nacht“ weckte ihr Interesse am Orient, am Fremden und dem Anderen, das sie nach Absolvierung des Gymnasiums — bei den Kreuzschwestern in Gmunden, in Bad Aussee und zuletzt in Graz, wo sie im Juli 1959 auch maturierte — nicht, wie eigentlich vorgesehen, an die Hotelfachschule gehen, sondern am Dolmetsch-Institut in Graz Türkisch und Ungarisch und später Orientalistik in Wien studieren ließ. Die Auseinandersetzung mit anderen Kulturen spiegelt sich in ihren Übersetzerarbeiten und in ihrem eigenen umfangreichen Werk ebenso wider wie in ihren internationalen Kontakten.

Ein Stipendium führte sie 1960/61 erstmals in die Türkei — an die ostanatolische Universität in Erzurum. Nach ihrer Rückkehr las sie im Grazer „Forum Stadtpark“ erstmals aus eigenen Werken. Noch bevor sie diese jedoch veröffentlichte, war sie als Übersetzerin tätig: 1967 erschien ihre Übersetzung des KZ-Tagebuchs der Siebenbürgerin und Jüdin Anna Novac. Ihren Romanerstling legte sie 1968 mit „Die Klosterschule“ vor, in dem Frischmuth die autoritären Strukturen eines Mädchengymnasiums beschrieb.

Herrschaftskritik zentral

Nach ihrem hochgelobten Debüt und dem Roman „Das Verschwinden des Schattens in der Sonne“ (1973) erzielte die Autorin vor allem mit der „Sternwieser-Trilogie“ (1976-1979, darunter „Die Mystifikationen der Sophie Silber“), in der sie sich intensiv mit der Verflechtung von mythologischen Traditionen und heutigen weiblichen Lebenswelten beschäftigte, und der „Demeter-Trilogie“ (1986-1990) Erfolge, in der sie trotz Beibehaltung ihres Verfahrens der vielfältigen Bezüge zu alten Mythen höchst aktuelle Themen aufgriff. Der auf die Erzählung „Herrin der Tiere (1986) folgende Roman „Über die Verhältnisse“ (1987) konnte — mit einem Bundeskanzler als zentraler literarischer Figur — als Schlüsselroman gelesen werden, „Einander Kind“ (1990) mit seinen darin enthaltenen Kriegs- und Nazi-Biografien als Aufarbeitung der Waldheim-Affäre. Herrschaftskritik ist einer der zentralen Aspekte von Frischmuths Schaffen.

Gartentagebücher

Neben Erzählungen, Essays, Hör- und Fernsehspielen erschienen u. a. die Romane „Die Entschlüsselung“ (2001), „Der Sommer, in dem Anna verschwunden war“ (2004), der Reiseroman „Vergiss Ägypten“ (2008) und 2012 „Woher wir kommen“. In ihren literarischen Gartentagebüchern wie „Fingerkraut und Feenhandschuh“ (1999), „Löwenmaul und Irisschwert“ (2003) und „Marder, Rose, Fink und Laus“ (2007) hat sie ihre schriftstellerische mit der gärtnerischen Passion vereint.

Immer wieder hat die Autorin ihre Stimme erhoben, wenn statt Verständigung und Toleranz Terroranschläge oder Kriege interkulturelle Beziehungen beherrschen oder Flüchtlingspolitik sich nicht als humanitäre Hilfe, sondern als Abschottung herausstellt. Frischmuth erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter den österreichischen Kinder- und Jugendbuchpreis 1972, den Anton-Wildgans-Preis 1973 und den Franz-Nabl-Literaturpreis 1999.

2005 wurde sie mit dem Ehrenpreis des österreichischen Buchhandels für Toleranz in Denken und Handeln gewürdigt, 2011 folgte das Große Goldene Ehrenzeichen des Landes Steiermark, 2019 das Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um das Land Wien und der Ehrenring des Landes Steiermark.

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