„Und dann kam der Lockdown“

„Namaste Himalaya“ im Kino: Zwei Reisende stranden während der Pandemie in Nepal

Fast ein halbes Jahr verbrachten Anna und Michael während des Beginns der Corona-Pandemie in Nepal.
Fast ein halbes Jahr verbrachten Anna und Michael während des Beginns der Corona-Pandemie in Nepal. © Polyfilm

In einem kleinen Dorf in Thüringen haben Anna Baranowski und Michael Moritz ihre neue Heimat gefunden. „Wir sind im Moment noch sesshaft“, sagt Michael im Gespräch mit dem VOLKSBLATT und Anna ergänzt: „Wir haben unser altes Feuerwehrauto zum Camper ausgebaut, mit Solar, Küche … alles, was man zum Leben braucht.“ In rund einem Jahr wollen sie wieder reisen. Mit dabei dann die kleine Tochter des Paares, die Mitte September ein Jahr alt wird. Über Land Richtung Asien soll es dabei auch gehen, zurück zu den Freunden in Nepal, mit denen sie während der Pandemie gelebt haben.

„Wenn der Reissack leer ist, ist der Reissack leer“

Michael war auf Weltreise, lernte Anna kennen, und wann immer es ihr Leben in Deutschland zuließ, begleitete sie ihren Freund. Vier Wochen sollten es 2020 für sie in Nepal werden, wandern gehen. „Und dann kam der Lockdown.“ Ein paar Tage blieben Anna, um zu entscheiden, mit Hilfe des Auswärtigen Amtes nach Hause zu fliegen. „Selbst meine Eltern haben gesagt: ,Kind, bleib wo du bist, bei euch gibt es noch keine Fälle, bei uns geht die Welt gerade unter.’“ Michael und Anna hatten sich davor fünf Monate nicht gesehen, sie war „irgendwie dankbar, dass das Leben zuhause auf Pause gedrückt war.“ Keine Verpflichtungen, Zeit, um mit Michael in Nepal zu sein, gemeinsam. „Wir hätten nicht diese wunderbaren Erfahrungen gemacht, wir hätten heute keinen Film, kein Buch und vielleicht auch kein Baby. Es hat uns zusammengeschweißt.“

Aus dem außergewöhnlichen Erlebnis, die weltweite Corona-Pandemie in einem kleinen Dorf am Fuße der Achttausender zu erleben, wurde ein Film. „Namaste Himalaya“ zeigt, wie die beiden Weltreisenden Teil einer eng verbundenen Gemeinschaft wurden. Zu Beginn des Lockdowns haben sich die beiden jedoch nicht wohlgefühlt. Die Not in Nepal war sehr groß, auch die Angst davor, dass die Reisenden das Virus über die Grenzen gebracht haben. „So kam es, dass wir zum Einkaufen raus sind und uns die Menschen mit ,Namaste Corona’ begrüßt haben. Das war ein sehr seltsames Gefühl, so auf Ablehnung zu stoßen“, erinnert sich Michael. Die beiden versteckten sich in ihrer Hütte. Über Wochen hinweg. Aber das Vertrauen der Menschen wuchs. „Es kam die erste Einladung zum Tee, irgendwann die Frage, ob wir mit aufs Feld zum Reisanbauen wollen“, sagt Anna. So sind sie in das Leben der Menschen hineingewachsen. „Sie haben uns ganz tiefe Einblicke in ihr Leben geschenkt und hatten nichts dagegen, dass wir sie filmen.“ Fast ein halbes Jahr blieben die beiden Deutschen.

Mit Durga lernten Anna und Michael einen Mann aus der Kaste der Unberührbaren kennen. Eine Begegnung, die sie tief beeindruckte. „Bei meiner Weltreise hatte ich immer das Gefühl, dass ich unbedingt im Flow sein will. Jeder will das, beim Sport, bei der Arbeit, beim Essen … immer im Fluss sein. Was Durga uns gelehrt hat, war, dass man auch einmal eine Zeit lang neben dem Fluss sitzen kann und nicht auf alles reagieren muss. Das schafft Distanz zu eigenen Problemen“, sagt Michael.

In der Pandemie, der Zeit größter Not, haben Anna und Michael einen starken Zusammenhalt in Nepal gesehen, wie Anna berichtet. „Wir haben erlebt, dass sich die Menschen mehr geholfen haben. Die haben dort kein volles Konto, auf das sie zugreifen können. Wenn der Reissack leer ist, ist der Reissack leer. Sie müssen von Tag zu Tag überleben, Lösungen finden für die Probleme, die gerade da sind.“ „Ich glaube, dass das auch bei uns gut umsetzbar ist“, glaubt Michael. „Es ist, als wäre da ein Schalter im Kopf, den man umlegen muss, damit wir uns wieder daran erinnern, dass wir alle zusammengehören.“ Vielleicht haben die Menschen in Nepal mehr Übung darin, überlegt Michael. In Europa steht der Individualismus im Mittelpunkt. Anna hat auch in dem thüringischen 80-Seelen-Dorf gefunden, was sie in Nepal beeindruckt hat. „Wir haben quasi eine Parallelwelt gefunden. Alle packen an, wenn es Probleme gibt.“

Perspektive auf und Umgang mit Corona ändern

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„Namaste Himalaya“läuft gerade in unseren Kinos. Wollen die Leute noch von Corona hören? Eine Frage, die sich Anna und Michael auch gestellt haben. Das Feedback, das sie bisher bekommen haben, war in die andere Richtung, berichtet Michael: „Dass die Menschen auch dankbar dafür waren, dass sie noch ‘mal in die Reflexion gehen konnten. Das Gefühl, dass wir in Nepal hatten, das hat fast jeder Mensch auf der Welt erfahren: Wie sich das anfühlt in einem Lockdown eingesperrt zu sein.“ Ihr Film könne vielleicht die Perspektive ändern, einen anderen Umgang mit der Pandemie, die ja noch nicht überstanden sei, bringen.

Von Mariella Moshammer

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