Und was wird da erzählt?

„Fidelio“-Urfassung an der Wiener Staatsoper: Die ratlose „Leonore“

Wann, wenn nicht jetzt, in einem so „runden“ Beethoven-Jahr (der Komponist wurde vor 250 Jahren geboren), ist die Zeit für besondere Fragestellungen, wohl auch für Experimente. Sich mit dem „Fidelio“ auseinanderzusetzen, der erst in seiner dritten Fassung von 1814 reüssierte und seither auf diese Art bekannt ist, heißt, auf die zwei früheren Versuche Beethovens zurückzugreifen.

So zeigt die Staatsoper nun die „Leonoren“-Urfassung von 1805, das Theater an der Wien wird im März die Zweitfassung von 1806 herausbringen, und die Staatsoper holt ihren verbürgten„Klassiker“, die „Fidelio“-Inszenierung von Otto Schenk, im April hervor. Also ein wahres Beethoven-Opernfest? Mit dem „Leonoren“-Auftakt hat es nicht so richtig geklappt.

Aufgeplusterte Texte und zweimal Leonore

So ganz „original“ ist nämlich nicht, was man sieht. Die Staatsoper und Regisseurin Amélie Niermeyer haben nämlich „neue Texte“ bei dem deutschen Dramatiker Moritz Rinke bestellt. Nun gilt ja vor allem der Textteil des „Fidelio“ als schlicht und naiv — aber die aufgeplusterten Texte, die Leonore nun spricht, nein, zweimal Leonore, von der Regisseurin „verdoppelt“, so dass die Schauspielerin-Leonore und Sängerin-Leonore Selbst- und Zwiegespräche führen, sind wahrlich kein Fortschritt. In Linz wird übrigens Hermann Schneider, der Landestheater-Intendant, Anfang nächster Saison für die „Fidelio“-Premiere seinerseits für eine neue Textfassung sorgen …

Nun mögen Regisseure noch so viele „konzeptionelle“ Interviews geben, wenn sich für das Publikum nicht erschließt, was auf der Bühne geschieht, ist jede hochgestochene Überlegung im Grunde überflüssig. In welcher Welt spielt diese Geschichte, die in ihren grotesk-primitiv-heutigen Unterschichts-Kostümen (bitte, alles grell in Pastellfarben!) letztlich wie eine Parodie wirkt? Eine mit rosa Licht übergossene „Heiratsszene“ zwischen Leonore und Marzelline macht ebenso ratlos wie das meiste, was man an diesem seltsamen Abend vorgesetzt bekommt.

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Parodie-Verdacht und schwacher Gesang

Man würde verstehen, wenn dem Thema des gefangenen Florestan ein heutig-politischer Kick verliehen würde. Das funktioniert kaum, und wie wenig die Regisseurin an die von ihr zerhackte Geschichte glaubt, zeigt sie im Finale, wo eine tödliche verwundete Leonore das Happyend mit dem Gatten nur noch träumt … und das dermaßen im „Glitzer-Look“, dass man sich in seinem Parodie-Verdacht wie bestätigt fühlt. Was wurde da eigentlich erzählt? Sicher nicht das, was Beethoven schon in der ersten Fassung so überzeugend, wenn auch, wie man weiß, verbesserungsfähig komponiert hat.

Leider waren nur wenige Sänger unter der Leitung von Tomàs Netopil zufriedenstellend: Keinesfalls die vielfach tremolierende Leonore der Jennifer Davis, nicht die eher scharfstimmige Marzelline der Chen Reiss, noch weniger der hoch angestrengt klingende Don Pizarro des Thomas Johannes Mayer. Der Florestan von Benjamin Bruns profitierte davon, dass sein Part in der Erstfassung noch nicht so dramatisch ausgefallen ist wie später.

Mit einer Aufführung wie dieser, die vom Publikum vehement abgelehnt wurde, hat sich Dominique Meyer bei den Wienern nicht beliebt gemacht, aber es kann ihm egal sein: Er ist schon mehr in Mailand als in Wien. Und wer weiß, was die kommende Direktion sich inszenatorisch alles vorstellt …

Übrigens können Opernfreunde diese „Leonore“ kostenfrei via arteConcert sehen.

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