Uni Salzburg distanziert sich von Politologen

„Islamophobie-Forscher“ Farid Hafez vergleicht „Operation Luxor“ mit November-Pogromen 1938

Der umstrittene Salzburger Politologe Farid Hafez zieht einen Proteststurm auf sich. Auf der Webseite der Bridge-Initiative der Georgetown Universität (Washington DC) veröffentlichte der gebürtige Oberösterreicher einen Text, in dem er die vor zwei Wochen im Rahmen der „Operation Luxor“ bei mutmaßlichen Muslimbrüdern durchgeführten Razzien in einem Atemzug mit den Nazi-Pogromen am 9. November 1938 und der Repression gegen Muslime im chinesischen Xinjiang nennt.

Mit dem Vorschlag, den Politischen Islam zur Straftat zu machen und mit der Befragung von Muslimen nach ihrer religiösen Überzeugung „untergräbt die Bundesregierung die Glaubwürdigkeit ihres Kristallnacht-Gedenkens“, so „Islamophobie“-Forscher Hafez, der auch schreibt, dass die Regierung „bereits eindeutig in eine totalitäre Richtung“ gehe.

Hafez ist Mitherausgeber des alljährlichen „Islamophobie-Reports“, in dem nicht nur „echte“ Muslim-Hasser, sondern sogar Muslime an den Pranger gestellt werden, wenn sie  liberale, säkulare Positionen vertreten beziehungsweise Kritik am türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan äußern.

„Geschmacklos, skandalös, ungeheuerlich…“

Nicht nur aus der Bundesregierung, auch von muslimischer Seite hagelt es Kritik. „Die Gleichstellung des Novemberpogroms — als einer der ersten Schritte zum Genozid an Millionen Jüdinnen und Juden — mit dem legitimen und entschlossenen Auftreten gegen den radikalen politischen Islam gleichzusetzen ist nicht nur völlig geschmacklos, sondern vielmehr Ausdruck einer antidemokratischen Haltung“, so Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) zum VOLKSBLATT.

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„Wer die demokratischen Grundwerte in Österreich mitträgt ist Teil unserer Gesellschaft – ohne Unterschied seines religiösen Bekenntnisses oder seiner Herkunft:“ Nehammer wirft Hafez vor, „unter dem Deckmantel der Wissenschaft einen Spalt in unsere Gesellschaft zu treiben und unsere seit 1945 gewachsene Demokratie zu diskreditieren und dadurch zu schwächen“.

Nicht minder empört Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP): „Dieser ungeheuerliche Vergleich verharmlost die schrecklichen Verbrechen des Nationalsozialismus und setzt sie dem legitimen und notwendigen Kampf gegen den Extremismus gleich. Wer dies tut, hat unsere Geschichte nicht verstanden und tritt das Andenken an die Opfer des nationalsozialistischen Völkermordes mit Füßen.“ Das Vorgehen gegen den Politischen Islam sei, so Raab zum VOLKSBLATT, „kein Angriff auf eine Religion, sondern der gemeinsame Kampf unserer Demokratie gegen den Extremismus“. Dieser Kampf werde unbeirrt fortgesetzt.

Islam-Theologe: „Wir sind nicht Opfer des Staates!“

Auch der muslimische Theologe Mouhanad Khorchide ist entsetzt: „Der Vergleich der Razzia gegen mutmaßliche Muslimbrüder mit der Situation der Uiguren in China und vor allem mit den Novemberpogromen ist nicht nur äußerst geschmacklos und verharmlosend, sondern hochgradig skandalös. Wie kann man den Beginn der Ermordung von Millionen Juden mit einer Razzia gleichsetzen?“

Khorchide: „Es macht mich sprach- und fassungslos wie das Leid von so vielen Menschen relativiert wird.“ Der Chef des Zentrums für Islamische Theologie an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster und  Leiter der österreichischen Doku-Stelle Politischer Islam verweist darauf, dass der Gründer der Muslimbruderschaft,  Hassan al-Banna,  in einem Buch über den Dschihad zum Krieg gegen Nichtmuslime aufgerufen habe, auch wenn diese die Muslime nicht angegriffen hätten, in einem anderen Buch habe al-Banna geschrieben: „Wir erkennen kein Regierungssystem an, das nicht seine Regeln und Prinzipien vom Islam ableitet. Wir anerkennen diese politischen Parteien nicht. Wir erkennen diese traditionellen Systeme nicht an, die uns von den Leuten des kufr (Ungläubige) und den Gegnern des Islams aufgezwungen wurden, um danach zu richten und zu handeln. Wir werden nach der Wiederbelebung des Systems der islamischen Justiz in seiner Gesamtheit streben. Und wir werden so handeln, damit die islamische Regierung auf der Grundlage dieses Systems etabliert wird.“

Khorchide schließt daraus: „Der österreichische Staat geht daher zurecht gegen die Muslimbruderschaft vor, denn deren antiwestliche Ideologie gefährdet den Frieden in unserem Land. Dass Hafez dieses Vorgehen des Staates als Pauschalangriff gegen alle Muslime darstellt, bringt Muslime in Generalverdacht, sie alle würden mit den Muslimbrüdern und deren menschenfeindlichen Ideologie solidarisieren.“ Seinen Glaubensbruder fordert Khorchide daher auf: „Hören Sie auf, Muslime durch Ihre Rhetorik in die Nähe von menschenfeindlichen Ideologien wie die von der Muslimbrüderschaft zu rücken! Wir sind nicht Opfer des Staates, sondern Ihrer Instrumentalisierung!“

Was sagt die Uni Salzburg?

Offene Kritik erntet Hafez auch von seinem Kollegen Thomas Schmidinger. Der Politologe und Extremismus-Experte schreibt auf Facebook über den besagte Artikel: „Auch wenn ich Verständnis dafür habe, dass sich Farid Hafez ungerecht behandelt fühlt und etwas unter emotionalem Stress steht aber so etwas geht einfach gar nicht und langsam frag ich mich schon was die Uni Salzburg dazu sagt, dass einer ihrer habilitierten Politikwissenschafter eine Hausdurchsuchung in Österreich mit dem Novemberpogrom und der Repression gegen Uiguren in der VR China vergleicht, ja geradezu damit gleichsetzt.

Der von den Nazis als „Kristallnacht“ verharmloste Pogrom war der Auftakt zur systematischen Vernichtung des europäischen Judentums. Sich selbst mit großer Pose als die „neuen Juden“ in Szene zu setzen, ist etwas, was wir sonst va. von Rechtsextremisten und anderen Antisemiten kennen. In Kenntnis seiner früheren Texte verwundert mich das jetzt zwar nicht so wahnsinnig aber das ist schon ein Schritt der Radikalisierung, das so offen zu formulieren. Wenn das von einem mittlerweile an der Uni Salzburg habilitierten Politikwissenschafter kommt, muss ich als „Kollege“ schon langsam bei den SalzburgerInnen fragen, was Ihr Euch dabei gedacht habt und ob so jemand wirklich die Venia (Lehrbefugnis, Anm.) verdient hat.“

Auch von jüdischer Seite gibt es Kritik: „Hafez beweist mit seinem unangemessenen Vergleich des Pogroms vom November 1938 und der  „Luxor“-Razzia vom November 2020, dass ihm die Wahrheit vollkommen gleichgültig ist, wenn es um die Verteidigung der von ihm vertretenen Ideologie geht – und das darf ein Wissenschafter niemals tun“, so Walter Weihrauch, Mitglied der Israelitischen Kultusgemeine in Wien (IKG).

Uni prüft Konsequenzen

Die Paris Lodron Universität Salzburg distanziert sich entschieden von Hafez’ Äußerungen. Insbesondere das entschlossene Vorgehen gegen radikale Tendenzen im politischen Islam mit den Ereignissen der Reichskristallnacht zu vergleichen, sei auf das schärfste zu verurteilen, so Rektor Lehnert, der betont, dass Konsequenzen gegen PD Dr. Farid Hafez geprüft werden.

Hafez weist Vorwurf zurück

Hafez weist die Vorwürfe gegen ihn unterdessen auf Facebook zurück:
“Ich habe die Razzien, die ich kritisierte, nicht mit den Novemberprogromen gleichgesetzt.
Ich habe beides nicht einmal miteinander verglichen. Insofern weise ich jeden Versuch, mir eine Verharmlosung der Novemberprogrome zu unterstellen, deutlich zurück. Ich habe im Wesentlichen herausgestrichen, dass diese Razzien an einem so symbolträchtigen Tag stattgefunden haben.”

Der umstrittene Text von Farid Hafez im Original (Englisch):

https://bridge.georgetown.edu/research/xinjiang-and-kristallnacht-in-austria-freedom-of-religion-under-threat/

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