Unmöglich, das Richtige zu tun?

arte-Stream: Doku „Birma: Aung San Suu Kyi und die Militärjunta“

Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi hatte noch vor kurzem einen ebenbürtigen Platz in der Geschichte neben Gandhi und Mandela. Die Lage in Birma kompliziert, die Militärjunta führt aktuell einen vermuteten Schauprozess gegen die Politikerin.
Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi hatte noch vor kurzem einen ebenbürtigen Platz in der Geschichte neben Gandhi und Mandela. Die Lage in Birma kompliziert, die Militärjunta führt aktuell einen vermuteten Schauprozess gegen die Politikerin. © Bulitt Films

„Der Westen“, manchmal mehr, manchmal weniger glaubwürdiger Hort der Menschenrechte, zeigte sich empört. Aung San Suu Kyi, Friedensnobelpreisträgerin des Jahres 1991, schwieg lange zu den Massakern der Militärs gegen die Volksgruppe der Rohingya.

Diese sind die muslimische Minderheit im mehrheitlich buddhistischen Myanmar (die Opposition lehnt diesen Namen der Militärs für Birma ab). 2019 verteidigte Aung San Suu Kyi vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag das burmesische Militär gegen Vorwürfe des Völkermords.

Herz aus Stein? Die Geschichte ist weitaus komplexer (aber die Toten und Vertriebenen sind real). Die hochlöbliche Dokumentation „Birma: Aung San Suu Kyi und die Militärjunta“ (53 Minuten) auf arte versucht zu entwirren, oft unbegreifliche Motive begreiflich zu machen.

Gezeichnet das Bild einer Frau, die als deren „Mutter“ eine ganze Nation retten sollte. Ein halbes Leben im Hausarrest, defensive Strategie wechselt mit offensiver, bis das Militär seine Macht — was dann immer heißt: Gewalt — ausspielt.

Dauerkonflikt um Macht

Geboren wurde Aung San Suu Kyi als Tochter des Staatsgründers Aung San, der die verschiedenen Volksgruppen im Kampf gegen die britischen Kolonialherren einte (Aung San wurde sechs Monate vor der Verwirklichung seines Traums ermordet). Ein starkes Militär war Grundlage für die Unabhängigkeit des Landes ab Jänner 1948. Die Militärjunta übernahm 1962 die Macht, machte die Menschen gefügig und wirtschaftete das Land herunter.

Unter internationalem Druck ließen die Militärs 2015 Wahlen zu. Die demokratische Opposition landete einen Erdrutschsieg, Aung San Suu Kyi gewann mit 85 Prozent. Aber die Verfassung verbat ihr, das Präsidentenamt anzutreten. Das gelang schließlich doch durch einen juristischen Trick. Der diesen ausgetüftelt hatte, ein Berater namens Ko Ni, wurde ermordet. Ko Ni war Moslem. Auch deshalb bekam der Dauerkonflikt um die Macht im Land das hässliche religiöse Mäntelchen umgehängt. Der Konflikt an der Spitze fraß sich in die Bevölkerung, alte Ressentiments schlugen in Terror um.

Unendliche Tragödie

Das Militär griff mit ungeheuerlicher Härte durch. Erschießungen, brandgerodete Rohingya-Dörfer, mindestens eine Million Geflüchtete, eine unendliche Tragödie. Waren Aung San Suu Kyis Schweigen und Parteinahme Strategie, weil sie das Militär als Gesprächspartner nicht verlieren wollte? Ein Zerbrechen an männlicher Macht? Ein auch für die Demokratieaktivistin untilgbarer Glaube daran, dass Birma das Militär für seinen Zusammenhalt braucht?

Stimmen mehrerer Seiten kommen in der Dokumentation zu Wort. Eine Meinungsfindung ist schwierig. Gibt es in der grausamen Realität Situationen, in denen es fast unmöglich ist, das Richtige oder gar das Gute zu tun?

Nachtrag: Seit das Militär vergangenen Februar wieder komplett die Macht übernommen hat, protestieren die Menschen auf Birmas Straßen. Mehr als 1300 Tote, mehr als 10.000 Verhaftete. Gegen Aung San Suu Kyi betreiben die Putschisten einen Prozess, ihr drohen bis zu 160 Jahre Haft. Menschenrechtsexperten sprechen von einem Schauprozess.

Bis 7. 2. auf arte.tv/de

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