Unser Aufstieg, unser Fall

Die Welt im Medienkunst-Spiegel: CyberArts-Schau im OÖ Kulturquartier

Die wollen doch nur spielen: Künstliche Intelligenz trifft bei Medienkünstlerin und Naturwissenschaftlerin Spela Petric auf die Gurke.
Die wollen doch nur spielen: Künstliche Intelligenz trifft bei Medienkünstlerin und Naturwissenschaftlerin Spela Petric auf die Gurke. © Hana Josic

Eine Schlagzeile: Künstliche Intelligenz (KI) verwechselt People of Color mit Primaten.

Wovor fürchtet Ihr euch? Dass die Maschinen die Weltherrschaft übernehmen, oder dass sie fortsetzen, was wir begonnen haben?

Der Künstler Paolo Cirio brachte bereits Facebook und Google zur Weißglut, wandelt gerne auf schmalem Grad. In „Capture“ geht es um Gesichtserkennung, die – meist im Graubereich – von Behörden eingesetzt wird. Cirio machte Fotos und Daten von Polizisten öffentlich. Am Ende Zensur des Kunstwerks in Frankreich. In Linz sind Fotografien und Video bei der Ausstellung CyberArts (bis 12. September) als Teil des Ars Electronica Festivals zu sehen.

Seit 1998 ist das OK im OÖ Kulturquartier Heimat der besten Arbeiten im großen Feld der Medienkunst, der Prix Ars Electronica-Gewinner. Die Schau ist Momentaufnahme unseres digitalen Zeitalters, unseren Aufstiegs, unseres Falls. Mechanische Frösche, die eine unterhaltsame wie unheimliche Geräuschkulisse entstehen lassen (Xoan-Xil López). Künstliche weibliche Intelligenz, die fragt, warum die dienenden Siris, Alexas und Co. nicht Thomas und Max heißen (Veneta Androva). Aus der weißen Box klingen Klopfgeräusche. Der Besucher muss auf die Knie, um den kleinen, aber überraschend alten Menschen darin zu sehen. L.A. Raeven zeigen eine animierte Figur, die an vorzeitigem Altern leidet. Die Bewegungen wurden von Laborratten übernommen. Wie gewohnt, wird bei der CyberArts ein breites, breites Feld beackert.

Tendenz zu politischen Arbeiten

Eine Tendenz zu politischen Arbeiten gibt es seit Jahren. Die Forschungsagentur Forensic Architecture wurde für „Cloud Studies“ heuer mit einer Goldenen Nica ausgezeichnet. Via Open-Source-Forschungsmethoden arbeiten die Mitglieder aus vielen Bereichen weltweit Menschenrechtsverletzungen, staatliche Gewalt und Umweltverbrechen auf, machen dies nicht nur zugänglich, sondern vermitteln auf eindringliche Weise.

Eine Goldene Nica gibt es auch für Alexander Schubert, der aus menschlichen Musikern Avatare und aus der Interaktion mit einer KI Konflikte entstehen lässt. Unter den Roten Khmer war Kambodscha ein abgeschottetes Land, kaum Bildmaterial ist aus der Zeit übrig. Guangli Liu lässt aus den wenigen Aufnahmen, computeranimierten Schöpfungen und Zeitzeugen-Stimmen eine intensive Geschichte entstehen und reiht sich in die Gewinnerriege ein.

Im Keller die wahnsinnig intensive Arbeit von Rashin Fahandej „A father’s lullaby“. Die Dunkelheit des Raumes wird gebrochen von Projektionen abwesender Väter, zutiefst emotionalen Wiegenliedern. Es geht um die Ungleichbehandlung des US-amerikanischen Strafvollzugs aufgrund der ethnischen Herkunft – und die Auswirkungen. „Eine sehr persönliche und komplexe Arbeit“, betont Kuratorin Genoveva Rückert.

Arbeitsam kämpfen sich unzählige kleine Männchen durch die Welt, die Erick Oh geschaffen hat. Ein Turm, ein Haus, die Welt, die Menschheit wimmelt über die sich bewegende Animation. Bis ins kleinste Detail und bis zum Untergang verliebt in die Darstellung.

Ganz unten hängt ein Schlüssel, ein einzelner Wächter. Die Rettung oder doch nur ein nächstes Level?

Von Mariella Moshammer

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