Vielleicht wird alles „guad“

Gespräch: Linzer Dialektpunk-Duo Attwenger mit neuem Album „drum“, Montag auch auf ORF 2

Überall kann ein „Trumm“ lauern. Attwenger, das sind an der Quetschn Hans-Peter Falkner (li.) sowie Texter, Sänger & Drummer Markus Binder.
Überall kann ein „Trumm“ lauern. Attwenger, das sind an der Quetschn Hans-Peter Falkner (li.) sowie Texter, Sänger & Drummer Markus Binder. © Tim Hupfauer

Mundart, zumal in Form des Gstanzls, war immer auch ein Medium der Aufmüpfigkeit. Das Linzer Duo Attwenger pendelt seit 1991 zwischen Punk und Dialektgesang, Dadaismus und Sozialkritik, Rock´n´Roll und elektrischer Knopfharmonika von Hans-Peter Falkner.

Am 14. Mai erscheint mit dem famosen „drum“ (Trikont) der neunte Tonträger der legendären Combo, auch ORF 2 stellt es am Montag im „kulturMontag“ vor. Das VOLKSBLATT sprach mit Markus Binder, dem Texter, Schlagzeuger und Sänger von Attwenger.

VOLKSBLATT: Unter den mehrdeutigen Albumtiteln von Attwenger, von „song“ bis „dog“, ist „drum“ die Krönung. Vom umgangssprachlichen „Trumm“ und schnoddrigen „Darum“ bis zu den englischsprachigen „drums“. Wie geht die Entdeckung eines solchen Albumtitels vonstatten?

MARKUS BINDER: Is´ wie alles andere auch einfach Arbeit. Also mögliche Titel überlegen, sammeln, abwägen. Kriterium: So wie bei allen bisherigen Alben soll der Titel einsilbig sein und den Vokal o oder u enthalten. Und falls der Titel verschiedene Interpretationspielräume eröffnet und falls er auch in der dem oberösterreichischen Dialekt sehr ähnlichen Sprache Englisch eine Bedeutung hat, umso besser.

Nachdem es da aber eine Menge an Möglichkeiten gibt, stellt sich bei jedem Album erneut die Frage: Was wäre grad der angesagteste Titel? Drum klang pörfekt (sic!). Drum heißt es drum.

Musikalisch ist „drum“ wieder ein bunter Garten. Vom elektronisch reduzierten Sprechgesang „vagismi“ (Vergiss mich, Anm.) bis zur schweißtreibenden „End of the World“-Tonalität in „real“. Dazu kommen Gastmusiker wie der Kärntner Fuzzman und die Russkaja-Brassabteilung. Wo lag für Sie der musikalische rote Faden?

So wie bei allen unseren Alben seit „sun“ 2002 ist auch „drum“ eine Mischung aus elektronischen Songs und der bei unseren Live-Konzerten gespielten Schlagzeug-/ZiehharmonikaKombi. Diesmal ging´s mir auch darum, den Trap-Sound (Spielart des HipHop, Anm.) mit emanzipierten Hi-Hats, das sind die kurzen Beckensounds, verstärkt ins Spiel zu bringen. Und dass auf diesem Album zahlreiche Gäste mitspielen, führt natürlich zu einer tollen Erweiterung unseres Soundspektrums. So gesehen bilden zwei Elemente den roten Faden: der Dialekt und die Abwechslung.

Im Lied „gelaber“ womöglich eine Nirvana-Anspielung, „i kau eich entertainen … und wer entertaint mi“. Gibt´s für ein autonomes Projekt wie Attwenger popkulturelle Leitbilder?

Infolge der Infolawine, der wir ausgesetzt sind, ist inzwischen so ziemlich alles zu irgendeiner Form von Entertainment verkommen. Aufmerksamkeitsheischerei rules! Das hätte der (Nirvana-Sänger,Anm.) Kurt Cobain sich nicht träumen lassen. Der war schon vom analogen Entertainment genervt genug. Und was Leitbilder betrifft: Nachdem wir auch nach intensiver Suche keines finden konnten, dem wir hätten folgen wollen, haben wir Attwenger ins Leben gerufen, um unabhängig von irgendwelchen Leitbildern unbeschwert drauf los spielen zu können.

Einer der bekanntesten Songs von Attwenger ist „Kaklakariada“ (Kein Kleinkarierter, Anm.) von 2002. Der explizit politischste Song auf „drum“ heißt „leider“. In diesem Wortschwall kritisieren Sie die Fixiertheit auf „Identität“ statt Solidarität. Laufen kritische politische Diskurse derzeit in eine falsche Richtung?

Es ist tatsächlich ein Jammer, dass die Frage nach der Identität die Bereitschaft zur Solidarität zusehends verdrängt hat, sowohl im persönlichen wie auch im globalen Rahmen. Im Konkurrenzkapitalismus geht es vor allem um die Absicherung des eigenen Vorteils. Diese politische Maxime hat leider seit den Zeiten von Thatcher und Reagan zunehmend die gesellschaftlichen Verhältnisse demoliert. Was angesichts der Klimakrise und gravierender ökonomischer Verwerfungen auf diesem Planeten dringend angesagt ist, lässt sich mit einem Wort auf den Punkt bringen: Zusammenarbeit. Die eigenen Interessen zugunsten des Wohls des Ganzen zurückstellen, globale Solidarität zeigen, das ist gefragt. Anzeichen dafür gibt es ja. Und es werden mehr. Ich bin optimistisch. Vielleicht wird ja doch noch alles guad aum End.

Als Rausschmeißer ein sogenannter hidden Track (versteckter Song), „my friend“, mit den aufmunternden Zeilen „scheiss di ned au my friend/olles wird guad/aum end“. Zweckoptimismus in unsicheren (Corona-)Zeiten?

„my friend“ ist ein Duett, das ich mit meiner Exfrau gesungen habe, die inzwischen leider verstorben ist, am 21. 5. 2020. Sie spielt auch die Ukulele. Nachdem der Song schon vor Corona entstanden ist, hat er damit konkret nichts zu tun, kann aber natürlich gern als optimistische Aussage in Bezug auf das Ende der Pandemie verstanden werden.

Mit MARKUS BINDER sprach Christian Pichler

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