Vom Leben der Johanna Rittenschober

Brucknerhaus: Franzobels „Hanni“, ein Monolog mit Maxi Blaha

Maxi Blaha auf der Bühne des Brucknerhauses in Linz.
Maxi Blaha auf der Bühne des Brucknerhauses in Linz. © LIVA

Franzobels Biografie der Johanna Rittenschober sollte im März 2020 im Beisein der Protagonistin auf der Bühne des Brucknerhauses Premiere feiern. Hanni Rittenschober erlebte sie nicht mehr. Leise verließ sie, kurz nach ihrem 100. Geburtstag am 19. März die Welt. Die Uraufführung erfolgte am Freitag.

Maxi Blaha zeigt auf der Bühne eine alterslose Frau, eine stille Unauffällige. Wie eine Leibeigene hielt man sie auf dem Bauernhof, der Vater musste im Sautrog schlafen. Glück erlebt sie, als der Sepp sich in das „Mensch am Misthaufen“ verliebt. Dazu das süße Brautlied, wo zuvor der Kontrabass noch Elend kommentierte. Man zwingt sie zur Mitarbeit am Bau der Baracken des Konzentrationslagers Gusen, sie wird Zeugin der „Mühlviertler Hasenjagd“. Als die Unmenschlichkeit verstaatlicht wird, wagt sie, den Häftlingen Essen zu geben. Vom Krieg zurück, verfällt ihr Mann dem Suff. Er stirbt früh. Die sechs Kinder muss sie allein durchbringen.

Ein gar nicht ungewöhnliches Frauenschicksal vor dem Hintergrund der Vorkriegs-, Nazi- und Nachkriegszeit, geprägt von Not, Armut und Entbehrungen. Erschütternd in seiner Unausweichlichkeit. Hanni ist nicht heldenhaft, sondern ausgestattet mit einem natürlichen Instinkt für Recht und Unrecht, den sie mit ihren Möglichkeiten einsetzt. Wie selbstverständlich erledigt und erträgt sie den Alltag, hält Haushalt und Familie zusammen, versucht trotz weiblicher Machtlosigkeit Menschlichkeit über Vorschriften zu stellen.

Schauspielerin Maxi Blaha erfuhr die Geschichte der Johanna Rittenschober in langen Gesprächen. Mit Autor Franzobel und Komponist Gerald Resch entstand eine szenische Nachbildung dieses Frauenlebens. Worte und Musik fließen ineinander. Wo eine Harfe an die Seele der Hanni rührt, spielt die große Orgel alle Register zu den Schrecken dieses und aller Kriege. Töne klären seelische Zusammenhänge, lassen Sehnsucht nach Harmonie ahnen im Kontrast zur brutalen Lebenswirklichkeit. Orgel, Harfe, Kontrabass, Klarinette, Trompete differenzieren die Klangwelten.

Wortartist Franzobel geht im Programmheft zu Gericht mit den Oberösterreichern „eine seltsame Mischung aus Größenwahn, Selbstverleugnung und Starrköpfigkeit, vielleicht deshalb ein so guter Boden für Nazis und Kunst“. Auch er hat Hanni Rittenschober mehrmals besucht. Ihre Originalsager verdichtet er im Bühnentext.

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Ein für seine Zeit völlig unauffälliges Schicksal. Grandiose Künstler erzählen das Leben der Johanna Rittenschober in einer Schlichtheit, die mit der tragischen Wucht einer großen Oper einschlägt. Sehr langer Applaus.

Von Eva Hammer

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