Vom Zauber des Märchenhaften

Mei Hong Lins „Cinderella“ sorgt für Begeisterungsstürme im Musiktheater

Man konnte sich nicht satthören und sattsehen an der Musik von Sergej Prokofjew und der märchenhaften Darstellung, die Tanzmeisterin Mei Hong Lin mit ihrer Choreografie und Inszenierung des Grimm-Märchens „Cinderella“ (Fassung: Daryl Griffith) auf die Bühne des Linzer Musiktheaters brachte. Bei der Premiere am Samstag regnete es Begeisterungsstürme des Publikums.

Mit geringen Abweichungen vom Original erzählt Mei Hong Lin die Geschichte Cinderellas vom Kind bis zur jungen Frau, die darum kämpft, sich ihren Traum zu erfüllen und zur Liebenden wird. Cinderella wächst nach dem Tod der Mutter unter der beherrschenden Stiefmutter und den ehrgeizigen Stiefschwestern auf, deren Willen sie sich widersetzt und mit emotionaler Kraft ihr Ziel, Tänzerin zu werden, verfolgt. Eine wundersam erträumte Fee und zwei Schutzengel begleiten sie auf ihrem Weg.

Hingebungsvoll getanzt

Zur Ausdeutung des Handlungsballetts kombiniert Mei Hong Lin mit ihrem hervorragenden TANZLIN.Z-Ensemble Einflüsse des klassischen Balletts und des Ausdruckstanzes mit der theatralen Logik von Bewegung aus dem Repertoire ihres ganz persönlichen Stils. Ihre Tänzer agieren mit besonderer Hingabe und Liebe, die Choreografin hat ihren persönlichen Werdegang zur Tänzerin hinein verpackt und sich schon zu Beginn ihrer Karriere mit dem Stoff beschäftigt.

Alle aus der Kompanie sind grandiose Solisten und agieren virtuos und mit unglaublich viel Gefühl: Lara Bonnel Almonem in der Titelfigur als Kind und Teenager, Kayla May Corbin als junge Frau, Núria Giménez Villarroya als Mutter und Fee, Vincenzo Rosario Minervini als Vater, Mireia González Vernández als Stiefmutter, Rie Akiyama und Julie Endo als Stiefschwestern, Shang-Jen Yuan als Startänzer (Prinz), Cristina Uta als Primaballerina und als Schutzengel Pavel Povraznik und Lorenzo Ruta.

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Die Ausstattung der Bühne und die märchenhaften Kostüme besorgte Dirk Hofacker mit sehr viel Gefühl für die unterschiedlichen Situationen und Stimmungen. Den Zauber des Märchenhaften, der zwischen Traum und Realität polarisiert, vermittelt als Hauptträger das Licht — eingesetzt als Symbolkraft mystisch, dunkel, dann wieder in hellem Silber aufleuchtend, gleich im ersten Bild mit der mit Swarovski-Steinen besetzten Hochzeitskutsche des Liebespaares.

Bis zum Happyend gibt es noch Cinderella bei ihrer visionär gedeuteten Entwicklung im Verlauf der Jahreszeiten zu verfolgen — ein besonders geglückter und wesentlicher Teil der Produktion.

Einfühlsam musiziert

Diese entspricht restlos der genialen, in Miniaturen aufflammenden, unvergleichlichen Instrumentationskunst in der Musik Prokofjews mit ihrer feinen lyrischen Schönheit und Eleganz, dem originellen Humor und orientiert sich an der traditionellen Tonsprache etwa eines Tschaikowsky oder Glasunow. Die Musik des Märchendramas lässt den diktierten spezifischen Stil des sowjetischen Klassizismus und der Kultur-Ideologie eines Stalin in den Entstehungsjahren des Werkes 1944/45 heute leicht vergessen, zumal Marc Reibel am Pult des leidenschaftlich musizierenden Bruckner Orchesters mit größter Umsicht und fachlichem Gespür die Partitur betreute. Keine leichte, Erfahrung erfordernde Leitung eines Balletts, jeder Takt aus dem Orchestergraben muss die Handlung auf der Bühne, die Körpersprache und jeweilige Stimmung der diversen Charaktere exakt nachzeichnen.

Alles in allem: Was für ein Genuss eines Tanzabends mit einem Märchen für Kinder und Erwachsene! Denn träumen dürfen alle Menschen vom Glück, das einen dann nicht verlässt, wenn man sein Leben zielbewusst in die Hand nimmt. Wie Cinderella und ihr Prinz, die heute noch leben, wenn sie nicht gestorben sind …

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