Wachsamkeit vor Wahl gefragt

Deutsche Warnung vor radikalen türkischen Gruppierungen auch für Oberösterreich aktuell

Nicht immer wird der verbotene Wolfsgruß auf Facebook so offen gezeigt, wie von diesem türkischstämmigen Linzer. © Facebook (Screenshot)

Eine Warnung der deutschen Bundesregierung vor dem Streben rechtsextremer bzw. islamistischer türkischer Vereine nach Einfluss auf die Politik ist auch in Oberösterreich ernst zu nehmen.

Denn die vom Nachbarn mit Argusaugen beobachteten Gruppen sind auch hierzulande aktiv: rechtsextreme Graue Wölfe (Ülkücü), die fundamentalistische Milli Görüs oder der Ableger der türkischen Regierungspartei AKP, Union Internationaler Demokraten (UID).

(Fast) immer ganz legal

Türkische Rechtsextremisten versuchten, „über die Nähe zu politischen Entscheidungsträgern und Parteien Einfluss auf den politischen Diskurs innerhalb der deutschen Mehrheitsgesellschaft zu nehmen“, so die Berliner Regierung.

Außerdem kandidierten sie bei Kommunalwahlen. Die Islamische Gemeinschaft Milli Görüs (IGMG) wiederum sei „bemüht, als Dialog- und Ansprechpartner für Politik und Gesellschaft zu fungieren“.

Das macht den Umgang mit diesen Gruppierungen schwierig. Denn sie verfolgen, so die Regierung, „ihre Ziele innerhalb der bestehenden Rechtsordnung, u. a. durch die Einflussnahme auf die öffentliche und politische Meinungsbildung“.

Unauffällig gut getarnt

Es geht also keineswegs um Terroristen oder um ein offenes Infragestellen der demokratischen Ordnung. Vielmehr dienen sich Protagonisten solcher Gruppen der Politik als integrierte, umgängliche und weltoffene Partner an. Verbotene „Wolfsgrüße“ auf türkischen Facebook-Seiten werden meist übersehen, ebenso Bekenntnisse zu türkischen Extremisten aller Art.

Nur selten wird ein Januskopf entlarvt: Ein Religionslehrer, der 2015 in Wels für die SPÖ kandidiert hatte, war zugleich Chef des Linz-Ablegers der türkischen Milli-Görüs-Partei Saadet.

Erst als bekannt wurde, dass der frühere Jugendreferent der Islamischen Religionsgemeinde Linz ein Dschihad-Video gepostet hatte, trennte sich die SPÖ von dem wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung verurteilten Mann, der ein paar Jahre davor noch bei einer Pilgerfahrt in Vorchdorf das „Vaterunser“ gebetet hatte.

Auffällige SPÖ-Nähe

Der Fall steht exemplarisch für die Notwendigkeit genauen Hinschauens. Selbst dann ist die Sache selten so klar, wie beim Welser Genossen. Der Leiter des wissenschaftlichen Beirates der „Beobachtungstelle Politischer Islam“, Mouhanad Khorchide kennt das Problem: „Das ist ja das Gefährliche: der Politische Islam bewegt sich im Rahmen des Legalen. Das macht es schwierig, ihn zu erfassen.“

So kann weder dem Attnang-Puchheimer SPÖ-Gemeinderat Kadir Arslan noch seinem Freistädter Genossen Ibrahim Cansiz Ungesetzliches vorgehalten werden. Beide sind aber führende Funktionäre der Austria Linz Islamische Föderation (Alif), dem oö. IGMG-Ableger. Damit stehen sie aber auch für eine Vereinigung, die Necemettin Erbakan als „großen islamischen Vordenker und Gelehrten“ würdigt.

Der Milli-Görüs-Gründer strebte eine islamische Weltordnung an und verbreitete Ansichten wie „Die Juden regieren seit 5700 Jahren die Welt“. „Sein Gedankengut war von antisemitischen Verschwörungstheorien geprägt“, haben etwa die deutschen Grünen festgestellt und als Bedingung für einen Dialog mit Milli-Görüs-Vertretern deren „Distanzierung von der antisemitischen Gründungsfigur“ verlangt.

Kandidaten genau ansehen

Von der SPÖ ob der Enns ist Derartiges bislang nicht zu hören, auch wenn etwa der SPÖ-Europaabgeordnete Günther Sidl als Vorsitzender des „Alevitischen Freundeskreises“ im EU-Parlament auf das „Grundsatzproblem der Radikalisierung in verschiedensten Bereichen“ hinweist: „Man muss aufpassen, dass sich keine Parallelgesellschaften bilden“, so Sidl zum VOLKSBLATT.

Der Linzer Bürgermeister Klaus Luger betrachtet seine freundschaftlichen Kontakte zur Alif aber wohl als Wirken gegen parallelgesellschaftliche Strukturen. Dass einer dieser Luger-Freunde auch die Facebook-Freundesliste eines amtsbekannten Grauen Wolfs ziert und bei Ülkücü-Veranstaltungen gesichtet wurde, tut der Freundschaft offenbar keinen Abbruch.

Gerade vor den Gemeinderatswahlen im Herbst wird man daher anhand der Kandidatenlisten genau schauen müssen, wer mit welchen Organisationen liiert ist und welches auf den ersten Blick oft nicht erkennbare Gedankengut durch die Hintertür in die Gemeinden sickern könnte.

Eine Analyse von Manfred Maurer