„Wahrheit braucht halt seine Zeit“

VfGH-Präsident Grabenwarter glaubt an das Vertrauen in die Justiz

Christoph Grabenwarter © APA/Hochmuth

„Mir ist es wichtig, den Kontrapunkt zu setzen. Die Justiz verdient jedes Vertrauen, sie hat keine einseitige politische Schlagseite“, erwartet sich Christoph Grabenwarter, der Präsident des Verfassungsgerichtshofs (VfGH), Zurückhaltung bei der Kritik an der Justiz, wie er gestern auch in der ORF-Pressestunde betonte.

Verschärfung im Ton

Ihm mache grundsätzlich Sorge, „dass wir in der politischen Auseinandersetzung, aber auch in der öffentlichen Auseinandersetzung insgesamt eine Verschärfung im Ton haben“. Zur Arbeit der Staatsanwaltschaft Wien und Staatsanwaltschaft Innsbruck erklärte Grabenwarter: „Ich kann hier nur sagen, meine persönliche Wahrnehmung war die einer sehr professionellen Arbeit.“ Er habe seine Eindrücke von der Arbeit der Justiz — „die sind positive“.

Befragt zur Verfahrensdauer bei der Anfechtung verschiedener Corona-Verordnungen, die erst nach deren Ablauf höchstgerichtlich entschieden bzw. im Nachhinein aufgehoben wurden, erklärte Grabenwarter, dass auch Eilverfahren nicht schneller beendet worden wären, denn „Wahrheit braucht Zeit“.

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Zu der von der Politik geplanten Reform der Weisungsspitze mit der Einführung einer unabhängigen Bundesstaatsanwaltschaft gab sich Grabenwarter reserviert. „Ich selber war immer kritisch gegenüber unbedachten Änderung der Organisation der Weisungsspitze. An und für sich ist eine Weisung nichts a priori schlechtes. Wichtig ist, dass sie transparent und gesetzeskonform ist. Und dass die Weisungsspitze dem Nationalrat verantwortlich ist.“

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Zum möglichen Bestellungsvorgang des Bundesstaatsanwaltes sagte der VfGH-Präsident, man müsse bei der Auswahl der Persönlichkeit „sehr gründlich“ sein. Als Zeitspanne schlug Grabenwarter eine Funktionsperiode von zwölf Jahren vor, analog zur Bestelldauer des Rechnungshofpräsidenten.

Unschuldsvermutung

Zu den Ermittlungen gegen Verfassungsrichter Wolfgang Brandstetter, der von der Staatsanwaltschaft Wien verdächtigt wird, vom ehemaligen Chef der Strafrechts-Sektion im Ministerium Christian Pilnacek den Termin einer Hausdurchsuchung erfahren und an seinen Klienten (den Investor Michael Tojner) weitergegeben zu haben, sagte Grabenwarter, man könne auf Basis der Informationen, die derzeit vorliegen, kein Amtsenthebungsverfahren gegen Brandstetter einleiten. Es gelte für den Kollegen die Unschuldsvermutung.

SPÖ und Neos zeigten sich über die Worte Grabenwarters erfreut. Man hoffe, dass alle Parteien, „besonders auch die ÖVP“, diesen Appell ernst nehmen. Es sei nicht die Aufgabe der Politik, sich in die Ermittlungen der Justiz einzumischen, viel eher sollten sich die Parteien zurückhalten.

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