Was Samurai mit Menschen von heute zu tun haben

In Berlin entsteht mit starker oö. Beteiligung das größte Samurai Museum außerhalb Japans

Alexander Jöchl,Direktor des Samurai Museums
Alexander Jöchl,Direktor des Samurai Museums © Naumberger

In Berlin-Mitte wird Anfang Mai das Samurai Museum an seinem neuen Standort eröffnet. Geleitet wird es mit Alexander Jöchl von einem, der lange in der oö. Kunst- und Kulturszene beheimatet war. Und die moderne Technik dazu liefert Ars Electronica Solutions und verhilft den Besuchern damit zu erstaunlichen Einblicken in die Welt der japanischen Ritter.

VOLKSBLATT: Wie hat es Sie von Linz ans Samurai-Museum Berlin verschlagen?

ALEXANDER JÖCHL: Nach der Fachschule für Bildhauerei in Innsbruck habe ich an der Kunstuniversität Linz studiert und war dann lang als Kurator für zeitgenössische Kunst am Kunstreferat der Diözese Linz tätig. Nach Stationen in Wien und Stuttgart bin ich wegen meiner Freundin nach Berlin gezogen, und dort hat sich die Leitung des einzigen Samurai Museum Europas ergeben.

Haben Sie sich schon früher für die traditionellen japanischen Krieger interessiert?

Das Thema Samurai und Japan war für mich immer schon ein faszinierendes und spannendes, weil man es ja auch aus Literatur, Filmen und aus der Populärkultur kennt. Die Handwerkskunst aus Japan ist in allen Bereichen sehr präzise, hochwertig und ungemein einfallsreich, das hat mich immer schon begleitet.

Was erwartet die Besucher?

Auf 1500 Quadratmetern ist in Berlin-Mitte die umfangreichste Sammlung zum Thema Samurai außerhalb von Japan zu sehen. Wir zeigen Exponate vom 6. bis zum 19. Jahrhundert, von historischen Objekten bis zu zeitgenössischer Kunst. Mit Unterstützung von Ars Electronica Solutions präsentieren wir die Objekte sehr zeitgemäß mit vielen interaktiven Elementen. Wir stellen dabei die Frage, was das mit uns heute zu tun hat und richten uns an Familien, Kinder und Jugendliche, Japan-Interessierte, aber auch an Leute, die sich in der Gaming-Szene bewegen, für Mangas oder das Thema Ninjas interessieren. Samurai sind in Europa sehr vielfältig angekommen, das werden wir auch so thematisieren.

Das wertvollste Objekt?

Highlights gibt es unzählige, auch viele unerwartete, die alle eine besondere Geschichte haben. Eines meiner Lieblingsobjekte ist das erste Schwert, das der Sammler und Gründer des Museums, Peter Janssen, auf einem Flohmarkt erworben hat. Erst später hat sich per Zufall herausgestellt, dass es keine Massenware, sondern handgeschmiedet ist. Die Qualitäten von Objekten sind eben nicht immer auf den ersten Blick ersichtlich. Es benötigt Zeit und Auseinandersetzung, um den Wert zu erkennen.

Wie umfangreich ist die Sammlung mittlerweile?

Peter Janssen sammelt seit über 30 Jahren und wir sind bei knapp über 4000 Stück angelangt. Das Besondere ist, dass wir aus vielen Bereichen Dinge haben: Rüstungen, Helme, Schwerter, Kunst … Wir haben jetzt eine Kinderrüstung bekommen – ein sehr seltenes und hochwertiges Stück. Wir zeigen auch No-Masken und eine originale, aus Japan importierte Bühne eines No- Theaters. In Japan wird gerade ein Film mit einer berühmten Theatergruppe gedreht, den wir dann auf die Bühne projizieren werden. Man taucht ein in das Leben der Samurai bis hin zur Tee-Zeremonie, die wir in einem Teehaus virtuell zeigen.

Was haben Samurai mit uns heute zu tun?

Eigentlich alles. Es fängt damit an, dass die Samurai ein ganz bewusstes Leben geführt haben, weil sie ja auch jederzeit sterben konnten, und geht weiter damit, dass man Wert auf die Dinge legt, die einen umgeben, die Beziehungen, die man pflegt, dass man etwas in Kunst und Kultur investieren soll bis hin zu populären Geschichten, die für Jugendliche jetzt wichtig sind, wo das Thema Samurai immer wieder vorkommt.

Tapferkeit, Disziplin, Loyalität und Selbstaufopferung. Rapper wie Bushido schmücken sich mit Symbolen der Samurai. Was halten Sie davon?

Samurai hatten einen sehr hohen Moralkodex, der immer eingehalten wurde. Sie haben sich vorher getötet, bevor sie entehrt wurden. So etwas wie diese Harakiri-Thematik werden wir nicht glorifizieren, sondern kritisch hinterfragen. Es gibt eine Vereinnahmung von vielen Seiten, die nicht toll ist, etwa wenn man an die Verherrlichung von Gewalt denkt. Was für mich viel spannender ist, dass es viele Frauen unter den Samurai gegeben hat, mit denen wir uns auch auseinandersetzen.

Die Rüstungen der Samurai sind ja quasi nach einem Baukastensystem aufgebaut …

Die Rüstungen bestehen aus vielen Einzelschichten und Materialien wie Leder, Metall, lackierten Oberflächen, Haaren, Textilien. Im Gegensatz zu den europäischen Ritterrüstungen waren sie extrem flexibel und auch eher leicht, so dass man damit gut reiten konnte und im Kampf mit dem Bogen und anderen Waffen sehr flexibel war.

Für das Museum gibt es eine Zusammenarbeit mit dem Linzer Ars Electronica Center …

Damit haben wir einen sehr zeitgenössischen Zugang der Präsentation und Vermittlung gefunden. Ars Electronica Solutions haben die digitale Aufbereitung übernommen. Deswegen präsentieren wir u. a. auch ein interaktives Computerspiel, zeigen Giga-Pixel-Aufnahmen, wo man reinzoomen und sich Details ansehen kann. Der Linzer Fotograf Norbert Artner hat dafür etwa von einzelnen Schwertern über 1000 Fotos erstellt, die er zu einem Bild zusammensetzt. Man muss üblicherweise das Katana (Schwert, Anm.) in einem bestimmten Winkel ins Licht halten, so kann man deren Qualitätsmerkmale erkennen, das ist wie Wasserzeichen auf Banknoten. Mit den Bildern gelingt es uns, das erstmals in bisher nicht gekannter Qualität darzustellen.

Was hat das Ende für diesen Kriegerstand bedeutet?

Der Niedergang hat mit dem Gewehr begonnen, das mit den Portugiesen nach Japan kam. Samurai waren exzellente Schwertkämpfer und ebensolche Bogenschützen. Ein Pfeil konnte auf 100 Meter und mehr eine leichte Rüstung durchschlagen, die maximale Reichweite liegt bei 400 Meter. Viele Samurai haben es abgelehnt, ein Gewehr zu benutzen, weil es gegen ihre Ehre war. Letztlich hatten die Samurai in einer sich öffnenden Gesellschaft auch keinen Platz mehr. Ihre Werte und Traditionen sind in der japanischen Gesellschaft aber nach wie vor präsent.

Mit ALEXANDER JÖCHL sprach Melanie Wagenhofer

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