„Führung ist besonders wichtig, wenn die Zeiten unsicher sind“

LH Thomas Stelzer stellt sich am Freitagabend erstmals der Wiederwahl als Landesparteiobmann der ÖVP Oberösterreich

Am 1. April 2017 wurde Thomas Stelzer zum OÖVP-Landesparteiobmann gewählt, seit 6. April 2017 ist er auch Landeshauptmann von Oberösterreich. In beiden Funktionen folgte der nunmehr 55-Jährige auf Josef Pühringer nach.
Am 1. April 2017 wurde Thomas Stelzer zum OÖVP-Landesparteiobmann gewählt, seit 6. April 2017 ist er auch Landeshauptmann von Oberösterreich. In beiden Funktionen folgte der nunmehr 55-Jährige auf Josef Pühringer nach. © OÖVP

Die Corona-Pandemie hat die Verlegung des OÖVP-Landesparteitages ins Internet erzwungen. LH Thomas Stelzer steht vor seiner ersten Wiederwahl als Parteiobmann.

VOLKSBLATT: Sie stellen sich am Freitagabend beim Landesparteitag erstmals der Wiederwahl als OÖVP-Landesparteiobmann. Mit welcher Ansage dürfen die Delegierten rechnen?

LH STELZER: Die Zeiten, in denen wir leben, sind schwierig und stellen uns immer wieder vor neue Herausforderungen. Seit zwei Jahren hat uns Corona fest im Griff, das weltpolitische Geschehen und der furchtbare Krieg in der Ukraine gehen auch an uns nicht spurlos vorbei. Umso wichtiger ist es daher, dass wir als stärkste Kraft im Land mit Entschlossenheit vorangehen und unsere Pläne konsequent umsetzen. Die Leute erwarten sich zurecht, dass es wenigstens hier vor Ort funktioniert. Wir werden daher am Freitagabend entschlossene Antworten auf die Herausforderungen der Zeit geben.

Erstmals findet ein Parteitag online statt. Wie kann der Funke der Begeisterung trotzdem auf die nur virtuell anwesenden Delegierten überspringen?

Natürlich wäre es mir lieber gewesen, wenn wir am Freitag alle persönlich zusammengekommen wären. Angesichts der hohen Infektionszahlen haben wir uns zum Schutz der Delegierten für das Online-Format entschieden. Die Gesundheit unserer Funktionärinnen und Funktionäre ist mir wesentlich wichtiger als ein gelungener Live-Abend. Umso mehr freut es mich aber, dass die Verlegung ins Internet so gut und so rasch funktioniert hat.

Beim Wahlergebnis ist nach den 99,9 Prozent aus dem Jahr 2017 nur mehr wenig Luft nach oben. Wie wichtig ist Ihnen die Prozentzahl?

Ich hoffe natürlich auf große Unterstützung und dass die große Breite unserer Partei mich trägt. Der Zeitpunkt der Amtsübernahme von Josef Pühringer war natürlich eine besondere Situation.

Großteils digital werden die 975 Delegierten am Freitag am OÖVP-Landesparteitag teilnehmen. Ihn ins Internet zu verlegen, ist der Corona-Pandemie geschuldet. Beim Parteitag wird es auch eine Rede von Bundeskanzler Karl Nehammer geben. Corona-bedingt abgesagt hat die OÖVP die für Freitag nächster Woche im Linzer Musiktheater geplante Vordenker-Veranstaltung „Land der Möglichkeiten 2022“, sie findet zu einem späteren Termin statt. ©OÖVP
Großteils digital werden die 975 Delegierten am Freitag am OÖVP-Landesparteitag teilnehmen. Ihn ins Internet zu verlegen, ist der Corona-Pandemie geschuldet. Beim Parteitag wird es auch eine Rede von Bundeskanzler Karl Nehammer geben. Corona-bedingt abgesagt hat die OÖVP die für Freitag nächster Woche im Linzer Musiktheater geplante Vordenker-Veranstaltung „Land der Möglichkeiten 2022“, sie findet zu einem späteren Termin statt. ©OÖVP

Vor fünf Jahren hieß der ÖVP-Bundesparteiobmann Reinhold Mitterlehner, Corona war unbekannt und ein Krieg vor den Toren der Europäischen Union undenkbar. Ist man als Politiker ein von den Ereignissen Getriebener?

Ich würde nicht sagen, dass man als Politiker ein von den Ereignissen Getriebener ist, aber ich sehe es schon als Aufgabe der Politik, auf Ereignisse rasch und entsprechend zu reagieren und mutig und entschlossen an die Herausforderungen der Zeit heranzugehen. Führung ist dann besonders wichtig, wenn die Stürme toben und die Zeiten unsicher sind. Um das Land langfristig weiter nach vorne zu bringen, muss man aber den Blick mutig nach vorne richten und auch langfristige Ziele verfolgen. Und das tun wir mit aller Entschlossenheit, etwa mit dem Oberösterreich-Plan.

Die Gegner der Corona-Maßnahmen sprechen von Diktatur. Wie sehr schmerzt das einen Demokraten gerade angesichts der jüngsten russisch-ukrainischen Entwicklungen?

Ich bin froh, dass wir in einem freien und demokratischen Land wohnen, in dem jede und jeder offen seine Meinung kundtun kann. Dass manche Menschen das Gefühl haben, in diktatorischen Verhältnissen zu leben, kann ich nicht nachvollziehen. Die Corona-Maßnahmen waren und sind zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung unverzichtbar. Wichtig ist mir, dass sie laufend evaluiert werden, damit sie im Verhältnis zur jeweiligen Situation stehen.

Was sind die Lehren aus dem russischen Angriff auf die Ukraine?

Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine wirft uns zurück in eine Zeit der Frontstellung, die wir lange überwunden zu haben glaubten. Es ist derzeit noch nicht absehbar, wie sich die Situation entwickeln wird und wie lange diese feigen Angriffe noch anhalten werden. Klar ist aber auch, dass das Thema Sicherheit in unserem Land jetzt einer neuen Bewertung unterzogen werden muss. Es braucht eine deutliche finanzielle Aufbesserung unserer Sicherheitskräfte – sowohl des Bundesheeres als auch der Polizei.

Sie haben bei Ihrem Amtsantritt als Landeshauptmann die Devise von Oberösterreich als „Land der Möglichkeiten“ ausgegeben. Was hat sich in diesen fünf Jahren in OÖ nachhaltig geändert?

Unser Ziel ist es, Oberösterreich zu einem Spitzenreiter in den unterschiedlichsten Bereichen, die für die Zukunft von Bedeutung sind, zu machen. Mit der neuen Technischen Universität für Digitalisierung ist es uns gelungen, eine österreichweit einzigartige Universität nach Oberösterreich zu holen und somit neue Wege in der Lehre und in der Forschung zu gehen. Der wirtschaftliche Aufschwung in unserem Land hat Oberösterreich mittlerweile zum führenden Wirtschaftsstandort Österreichs gemacht. Unsere niedrige Arbeitslosenquote und unsere gut ausgebildeten Fachkräfte bilden die idealen Rahmenbedingungen für Unternehmen aus den unterschiedlichsten Branchen, sich hier niederzulassen. Damit das auch so bleibt, arbeiten wir konsequent daran, durch Innovation und neue Technologien auch im Bereich des Klima- und Umweltschutzes, die wirtschaftliche Stabilität zu erhalten und Oberösterreich noch attraktiver zu machen.

Wie sehr hat die Corona-Pandemie Oberösterreich auf dem von Ihnen propagierten Weg – Stichwort Chancen statt Schulden – zurückgeworfen?

Mit unserem Chancen-statt-Schulden-Kurs haben wir bis zum Beginn der Corona-Krise mehr als eine halbe Milliarde Euro an Schulden abgebaut. Dieses verantwortungsvolle Wirtschaften hat uns ermöglicht, in der Krise mehr zu helfen als andere und besser durch die letzten zwei Jahre zu kommen. Die Bewältigung einer Krise in diesem Ausmaß kostet natürlich viel Geld, deshalb haben wir unsere Null-Schulden-Politik zurzeit unterbrochen. Denn gerade in herausfordernden Zeiten braucht es sinnvoll getätigte Investitionen zur Sicherung von Arbeit und der Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts. Sobald es die Lage wieder zulässt, werden wir unseren Chancen-statt-Schulden-Kurs wieder konsequent fortführen.

OÖ will bis 2040 klimaneutral sein. Wie schaffen wir das?

Der Krieg in der Ukraine hat uns wieder einmal vor Augen geführt, dass der Umstieg auf erneuerbare Stromproduktion rasch vorangetrieben werden muss. Dafür wird der Ausbau von Wasser- und Pumpspeicherkraftwerken und ein Umbau zur klimafitten Wirtschaft und Industrie weiter forciert. Zudem arbeiten wir mit hohem Einsatz daran, bis 2030 auf 200.000 Dächern PV-Anlagen zu installieren. Ein wesentliches Element sind die Investitionen aus unserem Oberösterreich-Plan: Wir treiben mit dem Oberösterreich-Plan die Energiewende voran, investieren massiv in nachhaltigen Wohnbau und bauen den öffentlichen Verkehr kraftvoll aus – Stichwort Regional-Stadtbahn zur Anbindung des Linzer Umlandes. Aber es ist ein Weg, der auch Zeit braucht. Wer jetzt vorschnell Pendler oder Betriebe noch mehr belasten will, gefährdet Arbeitsplätze und vertreibt die Industrie aus unserem Land.

Mit der digitalen Transformation stehen Gesellschaft und Wirtschaft wohl vor der größten Umwälzung seit der Industrialisierung. Ist OÖ darauf vorbereitet?

In den nächsten Jahren wird sich entscheiden, ob Oberösterreich als Wirtschaftsstandort auch in Zukunft vorne mitspielen wird. Eine entscheidende Rolle hat dabei die Gründung der Technischen Universität für Oberösterreich. Mit diesem Leuchtturmprojekt gestalten wir die technologische Zukunft und die digitale Transformation aktiv mit. Zudem forcieren wir eine Digitalisierungsoffensive in den Krankenhäusern und in der Pflege, damit die Mitarbeiter aktiv ihrer Berufung nachgehen können, anstatt administrativ aufgehalten zu sein. Ebenso arbeiten wir in der Landesverwaltung daran, die Telearbeitsplätze laufend auszubauen und damit den Beschäftigten lange Arbeitswege zu ersparen.

Ihr schönstes Erlebnis in diesen fünf Jahren als Landeshauptmann von Oberösterreich?

Davon gab es so viele! Am schönsten sind all die Begegnungen mit den wunderbaren Menschen im Land. Ihre vielen berührenden Geschichten, ihre außerordentlichen Leistungen, ihr Mut und Fleiß und ihre Lebensfreude. Diese emotionalen Momente und Begegnungen machen die Aufgabe des Landeshauptmanns zum schönsten Beruf der Welt.

Und worauf hätten Sie gerne verzichtet?

Ganz klar auf das Coronavirus und den Krieg mitten in Europa. Die vergangenen zwei Jahre waren für die Menschen im Land und auch für die Politik keine leichten. Corona ist nach wie vor allgegenwärtig und mit den verheerenden Angriffen Russlands auf die Ukraine wurde uns wieder einmal bewusst gemacht, wie schlagartig sich das Leben verändern kann.

Die Fragen an LH THOMAS STELZER stellte Markus Ebert

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