„Wegsperren allein ist zu wenig“

Das VOLKSBLATT sprach mit den Bewährungshelfern Harald Felbermair und Fahdi Özköseoglu

Vom Dieb bis zum Mörder: Fahdi Özköseoglu( l.) und Harald Felbermair (r.) begleiten Straftäter durch deren Bewährungszeit.
Vom Dieb bis zum Mörder: Fahdi Özköseoglu( l.) und Harald Felbermair (r.) begleiten Straftäter durch deren Bewährungszeit. © wosch

Ein wenig versteckt, im Innenhof eines Gebäudes am Graben in Linz, befindet sich das Büro des Vereins „Neustart“. Hier ist die Anlaufstelle für Menschen, die vom Gericht zu Bewährungsstrafen verurteilt wurden, um gemeinsam mit den Bewährungshelfern des Vereins an der Aufarbeitung ihrer Taten zu arbeiten.

Die Klienten bekommen hier aber auch Hilfe, um ihren Neustart in ein Leben in Freiheit zu meistern. Das VOLKSBLATT hat sich mit Bewährungshelfern über deren Beweggründe, belastende Taten, Deradikalisierung und die Rückkehr in die Freiheit unterhalten.

Zwei Überzeugungstäter

Abteilungsleiter Harald Felbermair (56) ist ein Urgestein der Bewährungshilfe in Oberösterreich, bereits seit 1988 arbeitet er für den Verein „Neustart“.

Fahdi Özköseoglu (43) ist seit 2017 für „Neustart“ tätig. In seinen Aufgabenbereich fallen Bewährungshilfe, Haftentlassenenhilfe, betreutes Wohnen und Deradikalisierungsarbeit. Derzeit haben 2070 Personen in Ober- österreich einen Bewährungshelfer. 120 Mitarbeiter und 177 Ehrenamtliche sind dafür bei „Neustart“ im Einsatz.

Warum Bewährungshelfer?

„Es hat für mich viel mit dem Verständnis zu tun, wie eine Gesellschaft funktionieren soll und wie man mit Menschen umgeht, die Gesetze und Regeln brechen“, schildert Özköseoglu seine Beweggründe, warum er Bewährungshelfer wurde: „Menschen wegzusperren bringt nichts, wenn nicht an den Ursachen gearbeitet wird, die dazu geführt haben. Das bringt der Gesellschaft einen Mehrwert, aber auch der betroffenen Person“. „Gerade die, die besonders schwierig sind, sind jene, um die wir uns besonders annehmen müssen“, ergänzt Felbermair.

So läuft Bewährungshilfe

Bewährungsarbeit erfolgt ausschließlich im Auftrag eines Gerichts oder der Staatsanwaltschaft, wenn entweder eine bedingte Verurteilung oder eine bedingte Entlassung vorliegt. Die Bewährungshelfer haben dabei ein doppeltes Mandat. „Das heißt, dass wir die Leute während der Probezeiten dabei unterstützen, straffrei zu bleiben, gleichzeitig sind wir dazu verpflichtet, den Klienten als Sozialarbeiter zur Seite zu stehen“, erklärt Felbermair.

Anders als bei anderen sozialen Einrichtungen sind die Klienten allerdings dazu verpflichtet, mit den Bewährungshelfern zusammenzuarbeiten. Im Mittelpunkt steht dabei neben der Unterstützung bei der Existenzsicherung die Auseinandersetzung mit dem Delikt und dessen Ursachen, um dann Handlungsalternativen mit der Person zu erarbeiten sowie die Vorbereitung einer gelungenen Rückkehr in die Gesellschaft. Rund zwei Drittel der Klienten kommen positiv durch ihre Bewährungszeit.

Deradikalisierungsarbeit

Das Thema Extremismus bei Jugendlichen spielte für Özköseoglu bereits vor seiner Zeit bei „Neustart“ eine Rolle. Durch den Bürgerkrieg in Syrien und das vermehrte Bekanntwerden des IS gewann das Thema religiöser Fundamentalismus zunehmend an Bedeutung. „Ich habe auch Ausbildungen im Bereich Islamismus und Dschihadismus und es hat mich interessiert, direkter mit dieser Zielgruppe, mit religiös bedingten Extremisten, zu arbeiten“, so Özköseoglu.

Bei „Neustart“ ist er einer von wenigen Spezialisten, die mit Menschen zusammenarbeiten, die nach dem Terrorismus-Paragraphen verurteilt wurden. In Oberösterreich werden derzeit mehr als zehn dieser Täter betreut.

„Es ist aber wichtig zu betonen, dass wir mit diesen Menschen im säkularen Bereich zusammenarbeiten“, sagt Felbermair. Wenn es einen religiösen Hintergrund hat, übernimmt die Organisation Derad. Man arbeite am Delikt und an der Inklusion in die Gesellschaft.

Belastende Fälle

Es gibt auch Fälle, die für den Bewährungshelfer selbst belastend sind. Dies komme etwa bei manchen Sexualstraftaten vor, betont Özköseoglu: „Ich habe ja selbst auch Kinder, man denkt sich, man könnte den Klienten nicht betreuen. Aber es geht, es kommt immer auf den Einzelfall an.“

Nahe gehen den erfahrenen Bewährungshelfern aber auch Fälle, bei denen man merkt, dass die Betroffenen bemüht sind, aber diese es aufgrund von gesellschaftlichen Dynamiken nicht schaffen, wieder Fuß zu fassen. Oder dass Menschen auch nach Verbüßen ihrer Haft noch eine sehr starke Stigmatisierung erfahren. „Ein Grundprinzip, das wir haben ist: Ächte die Tat, aber achte den Menschen!“, erläutert Felbermair.

Von Wolfgang Schobesberger

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