Weiter „auf Sicht fahren“ und dann rasch reagieren

Landtagspräsident Max Hiegelsberger zieht Bilanz über ein herausforderndes Jahr und sieht auch für den Herbst noch viele Unsicherheiten

Landtagspräsident Max Hiegelsberger
Landtagspräsident Max Hiegelsberger © Land OÖ/Stinglmayr

In der vergangenen Woche fand die letzte reguläre Sitzung des Landtags vor der Sommerpause statt, am Dienstag zog Max Hiegelsberger Bilanz über das erste Jahr seiner Präsidentschaft.

VOLKSBLATT: Der Landtag geht nun in die Sommerpause, wie wird sich der Präsident erholen?

MAX HIEGELSBERGER: Ich bin ja nach wie vor in der Landwirtschaft tätig und jetzt steht die Erntezeit bevor. Das mach ich gerne und das war auch immer meine Leidenschaft. Und dann wird es natürlich irgendwo hingehen, aber da nur meine Frau und ich verreisen, werden wir kurzfristig entscheiden, wo es hingeht.

Sie sind genau seit 262 Tagen Präsident des OÖ Landtags. Was war das schönste Erlebnis bisher?

Dass wir am Beginn des Jahres geschafft haben, gleich zwei Erklärungen einstimmig zu beschließen. Und es ist auch ein Signal: Dass die politischen Parteien zwar unterschiedliche Ansichten haben, aber dort, wo es um die großen Themen geht, etwa Krieg oder Atomenergie, gibt es nach wie vor eine hohe Übereinstimmung.

Das Präsidium hat sich runderneuert. Gab es Startschwierigkeiten?

Es gab keine Startschwierigkeiten. Alle drei waren wir ja schon im Landtag, natürlich mit anderen Aufgaben und Bereichen. Das hat sich sehr schnell und sehr gut eingespielt. Und wir haben auch ein sehr gutes Verhältnis untereinander.

Der Landtag tagt noch immer im U-Hof und im Landhaus-Sitzungssaal „bröckelt“ die Decke. Kann man absehen, wann der Landtag wieder zurück an die Promenade zieht?

Geplant ist, dass wir die erste Sitzung im Herbst, am 29. September wieder im Landhaus machen. Wir hoffen, dass das nicht die einzige Sitzung für heuer im Landhaus wird. Derzeit wird die Lüftung im Sitzungssaal erneuert. Es wird zwar bis Herbst noch nicht das gesamte technische Equipment eingebaut sein, aber die Bauarbeiten sind sicher abgeschlossen.

In dieser Legislaturperiode gibt’s mit sechs Fraktionen so viele wie noch nie. Wie funktioniert die Zusammenarbeit?

Natürlich hat jede Fraktion ihre eigenen Zugänge, außerdem sind erstmals zwei Fraktionen nicht in der Konzentrationsregierung vertreten. Aber grundsätzlich funktioniert es sehr gut. Es ist ja meine Aufgabe, dass die Gesprächsbasis untereinander erhalten bleibt und dass wir uns auf gemeinsame Ziele verständigen können. Mit sechs Parteien ist es zwar eine lebendige Demokratie, aber es kommt zu guten Entscheidungen.

Auf Bundesebene ist das politische Klima ausbaufähig. Wie schaut es in OÖ aus?

Deutlich konstruktiver. Wir haben durch unsere Konzentrationsregierung auch eine Voraussetzung, dass das Klima besser sein kann: Da – bis auf zwei Fraktionen – alle auch ein Regierungsmitglied stellen, weiß man, dass man einander immer wieder braucht. Und zweitens gibt es bei den großen Linien auch Einigkeit. Und es ist auch wichtig, dass, gerade wenn die Zeiten schwierig sind, die Politik Lösungskompetenz und Entscheidungswillen zeigt.

Derzeit wird in einem Unterausschuss das Grünbuch Demokratieforum besprochen. Welche Änderungen kann man erwarten – Stichwort Proporz?

Das Grünbuch ist von über 300 Personen erarbeitet worden. Mir ist wichtig, dass es nun nicht einfach liegen gelassen wird, sondern es wird nun im Unterausschuss ausführlich behandelt, wo jetzt auch jene Bereiche herausgefiltert werden, die für uns passen und umgesetzt werden können. Da geht es sicher um die Darstellung der Protokolle aus den Sitzungen und Ausschüssen. Oder wie können Petitionen digital eingebracht werden. Einen Leitfaden dazu gibt es schon. Wir werden versuchen, den Service zu verbessern und die Türen des Landtages weiter zu öffnen. Und natürlich kann auch Proporz ein Thema sein, aber da gibt es derzeit nicht die entsprechende Mehrheit.

Vor kurzem hat der Landtag einen neuen Direktor für den Landesrechnungshof bestellt. Hat der Landtag genug Kontrollmöglichkeiten?

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Insofern ist der Rechnungshof ein wichtiges Instrument in unserer Demokratie. Und es spricht für das politische Klima in OÖ, dass die Bestellung einstimmig erfolgte.

Untersuchungskommissionen

… die sind bei uns möglich, aber es braucht eine Mehrheit. Klar ist, dass eine Konzentrationsregierung mit einem U-Ausschuss als Minderheitsrecht nicht zusammenpasst.

Die Corona-Krise ist noch nicht vorbei, die Folgen der Ukraine-Krise sind noch nicht absehbar. Auch für den Gesetzgeber eine enorme Herausforderung. Was heißt das für die Arbeit im Herbst?

Es war schon bei Corona schwierig, aber momentan ist längerfristig kaum etwas abschätzbar. Corona, Digitalisierung, Transformation, der Ukraine-Krieg mit den Folgen für Energie, Ernährung und Teuerung. Momentan kann man nur „Fahren auf Sicht“. Diese Einflüsse von außen können wir nicht steuern. Aber wir müssen dann sehr rasch reagieren, agieren ist derzeit leider kaum möglich.

Wird es trotzdem gelingen, die Batterien im Sommer aufzuladen?

Ich hoffe es. Und ich wünsche auch allen einen wunderschönen Sommer.

Mit Landtagspräsident MAX HIEGELSBERGER sprach Herbert Schicho

Das könnte Sie auch interessieren