Wenn Bekanntes auf einmal neu klingt

Das L'Orfeo Barockorchester feiert heuer sein Silberjubiläum trotz Corona-Krise

Das L'Orfeo Barockorchester — seit 25 Jahren beeindruckender Bestandteil des oberösterreichischen Kulturlebens.
Das L'Orfeo Barockorchester — seit 25 Jahren beeindruckender Bestandteil des oberösterreichischen Kulturlebens. © wali.pix

Wie könnte man es auch vergessen, dass das L’Orfeo Barockorchester von Michi Gaigg in diesem Jahr sein 25-jähriges Bestandsjubiläum begeht. Ein Feiern wird es wohl nur in einem bescheidenen Ausmaß geben können.

Wegen diverser Absagen von Jubiläumskonzerten und Verschiebungen, etwa von für März geplante Gastspiele in Oslo und Brixen, muss man das Auslangen mit einer digitalen Festschrift „take.25“ finden, die allerdings äußerst informativ gestaltet ist und wieder so richtig Gusto macht auf eine heißersehnte Live-Begegnung mit dem Ensemble.

Im Laufe des Jahres 2021 werden auf www.lorfeo.com/take25-das-jubeljahr unterschiedlichste Beiträge zur Geschichte des Orchesters veröffentlicht werden.

Am 3. Mai soll es in der Anton Bruckner Privatuniversität so weit sein und das offizielle Jubiläumskonzert des L’Orfeo Barockorchesters erklingen, das tags darauf in den Wiener Musikverein weiterwandert — sollte Corona nicht auch diesem Vorhaben einen Strich durch die Rechnung machen. Fix soll im Herbst eine Gesamteinspielung aller Schubert-Sinfonien sowie der Fragmente auf CD vorliegen. Und mit dem Puppen-Magier Nikolaus Habjan erarbeitet man perspektivisch ein Opernvorhaben.

Es ist einer der angesehensten und tonangebenden Klangkörper auf dem Gebiet historischer Aufführungspraxis und hält unter diesen seit einem Vierteljahrhundert seines Bestehens die Spitze. Das hätte sich wahrscheinlich auch die kompetente Gründerin Michi Gaigg damals im Jahre 1996 auch nicht so konkurrenzlos vorgestellt. Und tatsächlich gibt es seit damals eine ganze Reihe von solchen Orchestern, weshalb die Vorrangstellung der L’Orfeos als eine besondere Leistung zu werten wäre. Eine neue Klangwelt wollte die Geigerin nach eigener Aussage entdecken, und dies auch nach dem Vorbild des Meisters Nikolaus Harnoncourt. In der Oboistin Carin van Heerden fand sie eine ebenso für die Alte Musik begeisterte Mitbegründerin.

Vom französischen Barock bis zu Sturm und Drang

Was in den 25 Jahren alles erreicht und erspielt wurde, sprengt alle Vorstellungen. Mehrfach gab es neben dem Konzertbetrieb Auszeichnungen bei Ersteinspielungen für eine Diskografie mit 40 Tonträgern aus CDs, Vinyl und MP3, woraus allein schon der Repertoireumfang ersichtlich ist. Dieser reicht von Suiten des französischen Barock über die Sinfonia des musikalischen Sturm und Drang bis hin zur Literatur der Klassik und frühen Romantik.

Der individuelle Klangcharakter des Ensembles weicht jeder globalisierten Einheitlichkeit und wird auch durch das fruchtbare Zusammenwirken diverser musikalischer Wurzeln bestimmt. Das ist absolut spürbar und schafft ein anderes Klangbild jenseits des gewohnten Hörerlebnisses. Die Mitglieder schätzen sich gegenseitig und lernen voneinander, füreinander und haben wie ihre Leiterin Michi Gaigg Lust auf Neues. Dass sie auch sozusagen hausintern ausgebildet wurden, stärkt zusätzlich das familiär wirksame Gemeinschaftsgefühl, mitgetragen von der temperamentvollen, farbenreichen Handschrift der Dirigentin.

Die jahrzehntelangen Erfahrungen im gestalterischen Ablauf lassen keine Routine im Spiel aufkommen, die die Interpretation nicht gerade begünstigt, ja oft hinderlich wäre und Spannungen ausklammert. Die Konzertprogramme bieten jeweils interessante und stilistisch klug abgestimmte Mischungen von Musik, die als Nahrung für des Publikums Seele empfunden werden, gleichgültig von welchen Komponisten sie stammen. Man sollte keinen von ihnen erwähnen. Vielleicht einen Schubert der L’Orfeos, den seit Harnoncourt niemand mehr so durchdrungen von einer warmen Klanglichkeit spielt, oder das unantastbare Genie Mozart, dessen gemütlichen Werke ein feuriges Gefühl hinterlassen.

Ensemble mit Spielweise Alte Musik

Was soll man noch erwähnen zum Silberjubiläum? In erster Linie sollte man eine herzliche Gratulation aussprechen. Und dass dieses außergewöhnliche Ensemble in der Szene der Alten Musik weiterhin mit seiner Spielweise, der Phrasierung und dem individuellen Klang so erfolgreich weiter schaffen möge, um sein Publikum durch Überraschungen zu begeistern oder auch zu irritieren, wenn Bekanntes auf einmal neu zu klingen beginnt.

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