Wenn Gerechtigkeit dem Glück im Weg steht

Intensiver iranischer Film „Ballade von der weißen Kuh“ über Todesstrafe, Schuld und Rache

Nach dem Tod ihres Mannes zieht das Leben an Mina (Maryam Moghaddam) vorbei.
Nach dem Tod ihres Mannes zieht das Leben an Mina (Maryam Moghaddam) vorbei. © Filmladen

Die Milchkartons ziehen an Mina (Regisseurin Maryram Moghaddam) in langen Reihen vorbei. Sie scheint nicht wahrzunehmen, was um sie herum, aber auch mit ihr passiert. Es liegt nicht in ihren Händen. Von Gottes Willen ist die Rede. Vom Schicksal. Wie kann Schuld existieren?

„Ballade von der weißen Kuh“ von Behtash Sanaeeha und Moghaddam trat 2021 bei der Berlinale um den Goldenen Bären an und erzählt in ungemein ruhiger Atmosphäre eine tragische Geschichte. Schon im Vorspann öffnet sich ein Abgrund. Mina besucht im Gefängnis noch einmal ihren Mann, bevor er hingerichtet wird.

Eine lange Einstellung auf eine verschlossene Tür mit einem winzigen Gitter verwehrt uns den Blick auf den Mann und den grausamen Abschied. Später erfahren wir, dass Babak einen Mann ermordet haben soll, die Tat gestanden hat. Es war ein Fehler. Einer der Zeugen war der Mörder. Ein Justizfehler. Aber auch Gottes Wille, da sich alle Richter einig waren.

Mina scheint fast zu zerbrechen an dieser Ungerechtigkeit. Sie bekommt Geld für den Verlust, ihr Leben wird jedoch noch schwieriger. Die Familie ihres toten Mannes will sie bestimmen, der Alltag einer Frau ohne Mann ist fast nicht zu bewältigen. Und dann die nicht ausgesprochene Entschuldigung derer, die den Tod ihres Mannes zu verantworten und Schaden weit darüber hinaus verursacht haben.

Als ein Mann (Alireza Sanifar) in Minas Leben tritt, alte Schulden begleicht, die er bei Babak hatte, fassen sie und ihre gehörlose Tochter langsam Vertrauen. Es scheint, als würde das Leben nun endlich wieder bei ihr Halt machen. Doch dieses zarte Glück steuert auf eine neuerliche Tragödie zu, als Mina erfährt, in welcher Verbindung Babak und der Fremde wirklich standen.

Dieser stille, intensive Film legt sich wie dumpfer Schatten auf die Zuschauer. Das Handeln aller Figuren ist tief verwurzelt in ihrer iranischen Lebenswelt, den Regeln und Gepflogenheiten des Landes, das an der Todesstrafe festhält. Und doch lässt „Ballade von der weißen Kuh“uns mit Fragen zurück, die plötzlich ganz universell werden: Was haben Recht und Gerechtigkeit mit unserem ganz persönlichen Glück zu tun?

Von Mariella Moshammer

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