Wir bräuchten 3,5 Erden

Klimawandel: Ausstellung „There Is No Planet B“ im Linzer Ars Electronica Center

„Live Support System“: Ein Quadratmeter Weizen, in künstlicher Umgebung angebaut. Ungeheurer Aufwand, die Biosphäre liefert gratis.
„Live Support System“: Ein Quadratmeter Weizen, in künstlicher Umgebung angebaut. Ungeheurer Aufwand, die Biosphäre liefert gratis. © Disnovation.org

Und das kleine Österreich soll Vorreiter in Sachen Klimaschutz sein? Stimmt zum Teil. Der sogenannte Pull-Effekt tritt hoffentlich in Kraft. Reiche Staaten und Staatenverbände forschen und investieren in Klimatechnologie, die ökologisch schwächeren Regionen, ja Kontinente des Planeten ziehen mit und nach. Keine andere Möglichkeit, soll auch die Enkelgeneration einen gut bewohnbaren Planeten vorfinden.

Alleine Österreich bräuchte in Relation gerechnet 3,5 Erden, um den gegenwärtigen Lebensstil zu ermöglichen. „There Is No Planet B“, Ersatzplanet leider nicht vorhanden, heißt die dichte, hoch informative Ausstellung im Linzer Ars Electronica Centrum (AEC), die parallel zum Festival Ars Electronica startet und zwei Jahre zu besichtigen ist. Die Ausstellung auch überbordend, verwirrend auf den ersten Blick. Man sollte sich Zeit nehmen, Helferleins des AEC begleiten gerne auf Anfrage.

Der Ast unterm Hintern

Neue Technologien führten meistens zu einer Fülle an „Fachchinesisch“, sagt Gerfried Stocker, künstlerischer Leiter der Ars Electronica. Dem will diese Ausstellung auch Abhilfe schaffen. Was ist etwa – tatsächlich schwierig genug – ein „Ökosystem“? „Live Support System“ macht solches anschaulich. Ein Quadratmeter Weizen, 100 solche Einheiten würden einen Menschen ein ganzes Jahr ernähren. Der Weizen in künstlicher Umgebung angebaut, gemessen werden alle Inputs wie Wasser, Licht, Wärme und Nährstoffe. Das Verfahren zeigt, welche ungeheuren Aufwendungen notwendig sind, um den Nahrungsmittelbedarf zu decken. Verdeutlicht so auch die immense Leistung des natürlichen Ökosystems. Jener Ast unter seinem Hintern, an dem der Mensch seit geraumer Zeit sägt.

Die Ausstellung im AEC in drei Teile gegliedert, Leben & Klimakrise, Energiewende und politische Verantwortung. Kunst und Wissenschaft in enger Synthese, Computersimulationen zu Klimaauswirkungen, per Satelliten erfasste Landschaften und Meere, Kulturen und Vorzeigeregionen, in denen alternative Lebensmodelle erprobt oder bereits gelebt werden. „Künstlerische Projekte verweisen auf das empfindliche Gleichgewicht unseres Ökosystems – und dass wir uns dessen Kollaps nicht leisten können“, sagt Doris Lang-Mayerhofer. Die Linzer Kulturstadträtin auf der hoffenden Seite: „Die Ausstellung macht vor allem deutlich, dass wir das Problem kennen und wissen, wie wir es lösen können.“

Die Hilfe der anderen

Solarenergie wird entscheidend sein. Kreisläufe, neue Technologien. Klaus Luger, Linzer Bürgermeister, skizzierte am Montag bei der Ausstellungspräsentation die Zukunft der Stadt. Sie soll klimaneutral werden, so beschloss es der Gemeinderat. Linz wirtschaftlich stark, noch immer Industriestadt. Doch die Industrie auch mit der meisten schädlichen Emissionen. Die voestalpine stellt von fossilen Energieträgern auf Wasserstoff um, das Problem des Transports aber noch riesig. „Linz wird Wasserstoffzentrum Österreichs“, sagt Luger, dazu brauche es die eigene Anstrengung, aber auch Hilfe von Bund und EU. Alles ungemein komplex. Manches simpel. Vielleicht essen wir auch Erde. In afrikanischen, asiatischen, südamerikanischen Ländern ist Verzehr von Erde integraler Bestandteil der Kultur. „The Museum of Edible Earth“ dokumentiert diese Praxis. Besucher können Erden kosten.

Von Christian Pichler

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