Wir haben ein Gewissen

„Würde ich hassen, hätte Hitler gesiegt“ begeisterte in der Tribüne Linz

Bettina Buchholz (rechts) und ihre 11-jährige Tochter Hannah.
Bettina Buchholz (rechts) und ihre 11-jährige Tochter Hannah. © Volker Weihbold

Einspielungen von der Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem, coole Rabbis mit E-Gitarren. Von „Heart of Gold“ bis „Perfect Day“, der Kopf kurz durchgelüftet. Bilder absoluten Grauens haben sich angehäuft, eine nicht einmal mehr surreal zu nennende Atmosphäre. Denn Jehuda Bacon, Überlebender der NS-Mordmaschinerie, strahlt immense Freundlichkeit und Heiterkeit aus.

Auschwitz das zentrale Symbol, einmal im Jahr aus der Truhe geholt wie alte Wäsche, sagt Bacon. Transporte in Viehwaggons, an der Rampe Arbeitsfähige von Müttern mit Kindern getrennt, „die sofort ins Gas gehen“. Alles richtig, oft erstarrte Erinnerung. Bacon erlebte maßlosen Sadismus und große Güte. „Die Gegensätze sind nicht nur außen“, sagt er, „sondern in uns selbst. Entscheidend ist, wie wir uns verhalten.“ Der Mensch kann jeden Moment wählen, er habe ein Gewissen.

Die Uraufführung von „Würde ich hassen, hätte Hitler gesiegt“ war am Samstag in der Tribüne Linz. Der Linzer Therapeut Johannes Neuhauser, die Schauspielerin Bettina Buchholz sowie die gemeinsame Tochter Hannah haben den 90-jährigen Jehuda Bacon in Jerusalem besucht.

Die szenische Lesung eine Großtat des Kulturvereins Etty, die ins existenzielle Zentrum führt. Unausweichlich: Wie handle ich heute? Neuhauser inszeniert, Buchholz spricht den erwachsenen Bacon, Hannah das Kind Jehuda. Videos vom Gespräch mit Bacon vertiefen, erläutern. Jehuda Bacons jüdische Familie ausgelöscht, nur eine Schwester konnte rechtzeitig emigrieren.

Bacon 1929 in Ostrava (Mährisch-Ostrau) geboren, 1942 nach Theresienstadt deportiert. Ab Dezember 1943 Auschwitz-Birkenau, mit der Asche von Vergasten das Eis gestreut. Ein unendlicher Held Fredy Hirsch, dem Bacon sein Leben verdankt. Hirsch ging freiwillig mit „seinen“ Buben in den Tod. Jänner 1945 Mauthausen, April 1945 Gunskirchen. Der Hunger namenlos, Fälle von Kannibalismus. Bei der Befreiung hat der 16-Jährige nur 35 Kilo.

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Bacon zeichnete Auschwitz, ab 1959 unterrichtet er Kunst. Ein hervorragendes Etty-Ensemble vermittelt das Ungeheuerliche.

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