„Wir sind ja zum Schutz der Menschen da“

Bischof Michael Chalupka zieht eine Bilanz über die Corona-Zeit in der evangelischen Kirche in Österreich

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Am Sonntag feierte Bischof Michael Chalupka in Leonding einen Gartengottesdienst — witterungsbedingt allerdings nicht im Garten sondern in der Lukaskirche.

Der 60-Jährige ist seit September 2019 Bischof der Evangelischen Kirche A.B. in Österreich, seine bisherige Amtszeit war geprägt durch die Corona-Pandemie.

VOLKSBLATT: Vor knapp zwei Jahren wurden Sie Bischof: Haben Sie sich den Job so vorgestellt?

BISCHOF CHALUPKA: Ich glaube, dass hat sich niemand so vorgestellt. Die ersten sechs Monate waren sehr schön, mit sehr vielen Begegnungen und viel Hineinhören. Aber dann kam Corona und hat die Bewegungsmöglichkeit sehr eingeschränkt. Auch die Gottesdienste mussten abgesagt werden. Wir haben die Lockdown-Maßnahmen mitgetragen, weil es notwendig ist. Wir sind ja auch zum Schutz der Menschen da.

Sie sind zu Besuch in der Leondinger Pfarre St. Lukas. Wie oft war es Ihnen in den vergangenen Monaten möglich, Pfarren zu besuchen?

Es war viel zu selten, eine Zeitlang war es gar nicht möglich. Jetzt holen wir das nach und sind immer unterwegs und das ist sehr schön. Was man aber auch sagen muss ist, dass das soziale Netz — das was Pfarrgemeinde ausmacht — auch in der Corona-Zeit gehalten hat.

Wissen Sie eigentlich im Detail, welche Regeln aktuell für Gottesdienste und andere Feiern gelten?

Ich weiß das sehr genau und wir haben auch versucht, dass die Unsicherheit hintangehalten wird. Ich habe insgesamt 30 Briefe an die Pfarrgemeinden geschrieben, im Schnitt gab es alle 14 Tage eine Information. Aber es war natürlich schwierig. Wir schaffen das in unserer Kirche ja nicht an, sondern geben Empfehlungen ab, die die Pfarrgemeinden umsetzen und in der Breite hat das gut funktioniert.

In der Hoffnung, dass wir nun doch Richtung Normalität gehen und weil Zeugnis-Verteilung ist: Welche Note würden Sie der Evangelischen Kirche für die Corona-Zeit geben?

Ich glaube es war „Gut“. Vor allem auf Ebene der Pfarrgemeinden ist das gut bewältigt worden, weil auch der Zusammenhalt geholfen hat. Ein „Sehr Gut“ war es nicht, weil auch die Kirchen Teil dieser Welt sind und wie wir alle in der Krise zum Teil manchmal überfordert waren.

Corona machte auch erfinderisch, welche Initiativen sind entstanden und was soll bleiben?

Ganz viel ist im digitalen Bereich entstanden, Gottesdienste wurden gestreamt oder per Zoom abgehalten. Da gab es zum Teil mehr Kommunikation, als es in normalen Gottesdiensten der Fall ist. Auch auf den sozialen Medien ist etwas entstanden, was wir jetzt digitale Kirche nennen, wo eigene Gemeinschaften entstehen, entbunden vom jeweiligen Ort. Und für mich als Bischof war auch spannend, dass man in der digitalen Welt Dinge machen kann, die man sonst nur schwer machen kann: Ich war etwa mehrmals zu Gesprächen in Schulklassen eingeladen, im Normalfall ist das ein Riesenaufwand. Ich war etwa in Leoben eingeladen und wenn ich von Wien extra hinfahren hätte müssen, wäre es wahrscheinlich nicht gegangen – so habe ich 40 Minuten mit den Schülern reden können. Und was für die Evangelische Kirche noch bleiben wird: Wir sind eine basisdemokratische Organisation und wir haben sehr viele Kommissionen und Ausschüsse. Da war es oft so, dass jemand aus Innsbruck fünf Stunden fahren musste, damit er drei Stunden bei einer Sitzung teilnehmen kann. Da hat sich viel entwickelt und diese „hybriden“ Möglichkeit werden uns sicher auch in Zukunft helfen.

Und wie ist die finanzielle Lage ihrer Kirche?

Wir haben beim Kirchenbeitrag aufgerufen, sich rasch zu melden, wenn man in existenzielle Nöte kommt. Und jene, die nicht betroffen waren, waren aufgerufen, solidarisch etwas beizutragen. Das hat einerseits geholfen, dass sich die Menschen gemeldet haben und nicht frustriert wurden: Jetzt wollen die schon wieder etwas von mir. Und andererseits haben Menschen mehr gegeben. Beim Kirchenbeitrag haben wir keine großen Einbußen. Aber was in den Pfarrgemeinden natürlich weggefallen sind, sind die sonntäglichen Kollekten.

Werden die Kirchen wieder voll?

Es hat durchaus die Befürchtung gegeben, dass weniger Leute in die Kirche kommen. Aber das beobachten wir im Moment nicht.

Auch das Verhältnis bzw. die Trennung zwischen Staat und Religion ist derzeit im Gespräch, wie bewerten Sie die Zusammenarbeit?

Man hat uns innerkirchlich zum Teil den Vorwurf gemacht, dass wir uns zu stark auf die Vorgaben des Staates einlassen. Aber Protestantismus heißt nicht, dass man gegen alles und jeden protestiert, sondern, wenn man es sinnvoll findet, auch mitmacht. Wir protestieren dann, wenn wir es nicht sinnvoll finden.

Können Sie sich eine „Religionslandkarte“ – wie in der Debatte rund um die Islam-Landkarte von Kardinal Schönborn vorgeschlagen – vorstellen?

Transparenz und öffentliche Präsenz ist immer dann gut, wenn es die Religionsgemeinschaft von sich aus bejahen und das selber beisteuern können. Der Vorschlag von Kardinal Schönborn ist daher sinnvoll und die evangelischen Kirchen haben ihre Pfarrgemeinden auch im Netz. Aber das muss von den Religionsgemeinschaften mitgetragen werden. Das Wichtigste ist daher immer der Dialog, dass man miteinander redet und nicht gegeneinander etwas macht.

Wie ist eigentlich die Zusammenarbeit mit den anderen Religionsgemeinschaften?

Im europäischen Vergleich ist er in Österreich sehr gut. Das hängt auch damit zusammen, dass bei uns etwa der Islam und andere Religionsgemeinschaften staatlich anerkannt sind und wir auf Augenhöhe miteinander reden können. Es gibt eine Plattform des Interreligiösen Gesprächs. Gerade in der Corona-Zeit hat das im Grunde gut funktioniert.

Und mit den anderen christlichen Religionen?

Das ist in Österreich wirklich vorbildlich. Und das sieht man auch im Konkreten, ich glaube es war auch in Leonding: Wie die Beschränkungen noch sehr rigide waren und wegen der Abstands- und Quadratmeter-Regel waren unsere Kirchen oft zu klein, da hätte oft nur eine Handvoll Leute kommen dürfen, da haben katholische Kirchen ihre Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt. Auch das ist ein Zeichen, dass die Ökumene vor Ort, aber auch im Großen funktioniert.

Mit Bischof MICHAEL CHALUPKA sprach Herbert Schicho

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