In Österreich ist wohnen günstiger als im EU-Durchschnitt, rechnete die industrienahe Agenda Austria am Mittwoch vor. Demnach sind die Aufwendungen seit Jahren konstant, etwas weniger als 20 Prozent des verfügbaren Einkommens würden für das Wohnen aufgewendet. Trotzdem gebe es einige Baustellen und Ungerechtigkeiten im Miet- und Steuerrecht, so der Think Tank.
„Wenn am Ende ein gut verdienender Verleger in einer mietregulierten Altbauwohnung in der Wiener Innenstadt lebt, während sich eine einkommensschwache Familie am (sogenannten) freien Markt eine teure Bleibe suchen muss, dann ist in der staatlichen Wohnungspolitik verteilungspolitisch etwas schiefgelaufen“, gibt die Agenda zu bedenken.
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Da der Staat umfassend in die Mietpreise eingreife, sei der Mieteranteil im internationalen Vergleich sehr hoch. Gleichzeitig werde immer weniger gebaut, der Bestand an Gemeinde- und Genossenschaftswohnungen wachse kaum noch. „In Österreich hat man den klassischen Fehler begangen und nur festgelegt, dass Wohnen leistbar sein soll, aber nicht darüber nachgedacht, wo bei Bedarf mehr Wohnraum herkommen soll“, moniert die Agenda Austria.
Das Wohnbaupaket der scheidenden Regierung habe die Probleme offengelegt. „Um die lahmende Bauentwicklung zu beflügeln, lässt der Bund nun verzweifelt Geld über die Bundesländer regnen, ohne die strukturellen Probleme zu beheben oder auch nur zu verstehen“, kritisiert der Think Tank.
Eine Baustelle sei auch die hohe Steuerlast. In kaum einem anderen Land der Welt werde Arbeit so stark besteuert wie hierzulande. „Wer eine Wohnung um 400.000 Euro auf Kredit kaufen möchte, muss brutto sagenhafte 1,25 Millionen Euro erarbeiten, um den Staat, die Bank und den Verkäufer der Wohnung bezahlen zu können. Das sind keine guten Rahmenbedingungen, um Eigentum aufzubauen“, gibt die Agenda Austria zu bedenken.
Der industrienahe Think Tank fordert, dass die Stadt Wien ein Mietkaufprogramm für langjährige Gemeindebau-Mieter auflegt. Dies könnte demnach so aussehen: Abgeschriebene Projekte werden nach aktuellen Qualitätsstandards renoviert und vor allem thermisch auf den aktuellen Stand gebracht. Danach werden die Wohnungen an interessierte Bestandsmieter verkauft. Die Stadt stellt ihnen dabei im Wesentlichen die Sanierungskosten in Rechnung.
Eine Lanze wird auch für Generationenkredite gebrochen. „In der Schweiz gibt es dieses Modell schon lange: Die erste Generation bringt das Eigenkapital ein, zahlt aber auf den Kredit nur Zinsen. Erst die nächsten Generationen kümmern sich allenfalls um die Tilgung“, verweist die Agenda Austria auf den westlichen Nachbarn.
Ein Auge sollte auch auf die Preisunterschiede zwischen Gemeindewohnungen und dem freien Markt gelegt werden. „Die umfangreichen Eingriffe des Staates in den Mietmarkt helfen (auch) den Falschen“, so die Agenda. In den geförderten Wohnungen würden Menschen aller Einkommensklassen leben – und zwar recht gleichmäßig verteilt. „Immerhin ist bei den Gemeindewohnungen zu erkennen, dass die reicheren Haushalte etwas unterrepräsentiert sind; in den Genossenschaftswohnungen sind sie hingegen überrepräsentiert. So war das nicht gedacht“, meint die Agenda Austria.
Das Fazit daraus: „Im Sinne der sozialen Durchmischung sollten Besserverdiener nicht unbedingt ausziehen müssen, sondern nur die wahren Kosten selbst tragen, indem sie eine marktübliche Miete zahlen.“
Überhaupt stellt sich die Agenda die Frage: „Woher kommt das Gerede von der Wohnungsnot?“ Der Think Tank rechnet vor: Pro Kopf stehen in Österreich fast 47 Quadratmeter Wohnraum zur Verfügung. Im Durchschnitt käme eine vierköpfige Familie auf fürstliche 187 Quadratmeter. „Im Durchschnitt!“, so die Agenda am Donnerstag in einer Aussendung.
Ein grundsätzliches Problem sei: „Die Reichen vererben Villen am Wörthersee; der Mietadel vererbt Mietverträge in den Städten. Während Ersteres legitim ist, da es sich um Eigentum handelt, ist Letzteres eine Eigenart des österreichischen Mietrechts, die fragwürdige Verteilungswirkungen generiert“, kritisiert die Agenda und fordert: „Die Übertragbarkeit von Mietverträgen an Verwandte gehört abgeschafft.“ Stattdessen sollte ein Vergleichsmietensystem eingeführt werden.
Das heißt: Bei Neu- und Wiedervermietungen gibt es zunächst keine Preisgrenzen – außer solche zur Verhinderung von unerlaubtem Wucher oder Ähnlichem. Die zulässigen Mieterhöhungen während der Laufzeit eines Mietvertrages müssen sich dann nach der allgemeinen Entwicklung der Mieten für vergleichbaren Wohnraum im freien Markt in der jeweiligen Gemeinde in den letzten drei bis fünf Jahren richten. Also nach dem Mietspiegel. Ausgenommen bleiben könne ein „zweckmäßiger Bestand an günstigen Gemeindewohnungen, den die Kommunen für soziale Härtefälle und beim Kampf gegen Obdachlosigkeit brauchen“.