Alarmierte Wohnbau-Stakeholder rufen Politik um Hilfe

Wohnbau laut Verantwortungsträgern quasi im Stillstand © APA/THEMENBILD/HARALD SCHNEIDER

Nicht zuletzt wegen eines stark abgeflauten Wohnbaus ist die Lage auf dem Bau derart „dramatisch“, dass sich nun eine „Allianz Wohnraum für Österreich“ bildet. Diese besteht vorerst aus gewerblichen und gemeinnützigen Bauträgern (VÖPE und GBV), der Baugewerkschaft (GBH) und des Fachverbands der Bauindustrie und will als Plattform mit dem Bund, Bundesländern, Gemeinden und weiteren Stakeholdern die Kräfte bündeln und den Wohnbau wieder anschieben. Die Politik sei gefordert.

Das bisherige Paket der türkis-grünen Bundesregierung von 2,2 Mrd. Euro werde zwar begrüßt, hieß es bei einem Pressetermin der (Wohn-)Bauvertreter am Dienstag in Wien. Es komme aufgrund der gesamtwirtschaftlichen Lage mit hohen Grundstücks-, Bau- und Refinanzierungskosten sowie zu lange andauernden Genehmigungsverfahren allerdings nicht auf den Baustellen an. Es helfe bisher lediglich „ein wenig“ – bezogen auf Verbesserungen bei Kreditvergaben.

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Wurden 2019 vor Corona noch rund 85.000 Baugenehmigungen erteilt, so war 2023 ein Rückgang auf nur mehr rund 47.000 Genehmigungen zu beobachten, wurde beim Pressetermin am Dienstag auf Daten der Statistik Austria verwiesen. Dazu komme, dass viele genehmigte Bauprojekte zurzeit stillstünden und nicht begonnen würden. Also brauche es ein koordiniertes und abgestimmtes Vorgehen einer Allianz aus Politik und Wirtschaft. Denn nur eine solche könne es gewährleisten, die Bau- und Immobilienbranche zu stärken, und so bezahlbaren Wohnraum in Österreich zu schaffen, so VÖPE, GBV, GBH und WKÖ-Bauindustrie beim gemeinsamen Auftritt ihrer Spitzenvertreter.

„Aus unserer Sicht fehlt es an zwei wesentlichen Elementen“, sagte der Präsident der gewerblichen Bauträger (VÖPE) Andreas Köttl. „Es braucht die Koordination zwischen Bund, Ländern und Kommunen in Wohnbau und Stadtentwicklung sowie die Vermittlung und Koordination zwischen der europäischen und nationalen Ebene. Wir stehen mit unserer Expertise gerne bereit, bei der Umsetzung mitzuwirken.“

Peter Krammer, Obmann Fachverband der Bauindustrie in der Wirtschaftskammer (WKÖ) sprach davon, dass „der Wohnbausektor derzeit den stärksten Einbruch seit mehreren Jahrzehnten erlebt. Die aktuelle Prognose des Wifo für 2024 geht von einem realen Rückgang der Wohnbauinvestitionen um 5,8 Prozent aus. Sie sind auf dem niedrigsten Stand der letzten fünf Jahre.“ Diese Entwicklung spiegle sich in rückläufigen Baugenehmigungen, Fertigstellungen und insgesamt reduziertem Bauvolumen wider.

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Die Forderungen richten sich bereits an die nächste Bundesregierung, schließlich wird in drei Monaten gewählt. So sei etwa ein Bautenminister zur Gesamtkoordination angebracht, wie das bis in die 1980er-Jahre der Fall war, sagte VÖPE-Präsident Köttl. „Seither wird der Wohnbau im Bund stiefmütterlich behandelt und niemand fühlt sich letztverantwortlich. Aus unserer Sicht fehlt es an zwei wesentlichen Elementen: Der Koordination zwischen Bund, Ländern und Kommunen in Wohnbau und Stadtentwicklung sowie der Vermittlung und Koordination zwischen der europäischen und nationalen Ebene. Wir stehen mit unserer Expertise gerne bereit, bei der Umsetzung mitzuwirken.“

Man müsse jetzt die Kräfte bündeln und das gemeinsame Diskussions- und Arbeitsformat starten, so Klaus Baringer, Verbandsobmann des Gemeinnützigen-Verbandes GBV. „Wir schlagen eine Allianz vor, in der Bund, Länder und Kommunen vertreten sind und auf Augenhöhe mit allen Branchenverbänden, Vorschläge und Maßnahmen erarbeiten. In Deutschland ist etwas Vergleichbares bereits eingerichtet und nennt sich ‚Bündnis für bezahlbaren Wohnraum‘.“

In die Plattform sollen „Vorschläge und Maßnahmen für die künftige österreichische Bundesregierung eingebracht und diskutiert werden“, um bald wieder durchzustarten, so Baringer. Denn zuletzt der Bauproduktionswert werde laut Wifo-Daten heuer um weitere 5,8 Prozent zurückgehen, nachdem es im Vorjahr bereits ein Minus von 6,7 Prozent und 2022 von 2 Prozent gab. Es müsse auch mehr in die Höhe gebaut werden, um die Flächenversiegelung nicht unnötig zu steigern.

Wurden 2023 noch 14.900 gemeinnützige Wohnungen fertiggestellt (diese Bauleistung lag bereits 10 Prozent unter dem zehnjährigen Durchschnitt), so werden heuer 14.100 Fertigstellungen erwartet. 2025 dann eine Bauleistung von nur mehr 10.000 bis 11.000 Wohnungen. Eine Wiedereinführung der Zweckbindung der Wohnbauförderung, bei der es insgesamt nachhaltigen Maßnahmen brauche, sei eines der vielen Gebote der Stunde, so Baringer. In den frühen 90er-Jahren habe der gemeinnützige Bau 1,4 Prozent des Bruttoinlandsproduktes ausgemacht. Jetzt seien es 0,4 Prozent.

Das und die gesamte extrem schwache (Wohn-)Baulage führt laut Baugewerkschafter und SPÖ-Politiker Josef Muchitsch auch zu einer steigenden Arbeitslosigkeit auf dem Bau. Das sorge zu einer Verschärfung des Fachkräftemangels, denn „verlorene“ Bauhackler kämen nicht mehr zurück, gingen an andere Branchen verloren. Die Arbeitslosigkeit auf dem Bau ist im Jahresvergleich zuletzt um fast ein Fünftel gestiegen – deutlich stärker als die Gesamtarbeitslosigkeit.

VÖPE-Präsident Köttl betonte weiters, dass die Politik rasch handeln müsse. „Oft wird unterschätzt, was für eine Vorlaufzeit wir bei den Projekten haben. Jede Wohnung, die heute nicht geplant wird, wird uns in drei bis fünf Jahren fehlen.“ Wesentlich sei eine Beschleunigung von Verfahren, eine Reduktion von Bürokratie und die Attraktivierung von klimagerechtem Bauen und Sanieren. „Dabei ist es unerheblich, welche Rechtsform ein Bauträger aufweist. Denn zeitgemäße Entwicklungsprojekte, wie nachhaltige Quartiere, entstehen aus der Kooperation zwischen gemeinnützigen und gewerblichen Entwicklern und der öffentlichen Hand.“

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