Transit-Anhörung vor EU-Kommission, Gewessler zuversichtlich

Italien sieht Lkw-Dosiersystem als EU-rechtswidrig an © APA/Archiv/ZEITUNGSFOTO.AT

Im Streit um die Tiroler Anti-Transitmaßnahmen auf der Brennerstrecke haben hohe Beamte aus Österreich und Italien der EU-Kommission am Montag in einer Verhandlung bzw. Anhörung ihre jeweiligen Argumente dargelegt. Die Kommission muss letztlich entscheiden, ob sie ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich einleitet. Andernfalls dürfte Italien vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) klagen. Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne) zeigte sich „zuversichtlich“.

„Die Tiroler Notmaßnahmen sind rechtskonform – und ordentlich umgesetzt. Wir haben heute unsere umfangreichen Argumente auch in der mündlichen Verhandlung in Brüssel dargelegt. Ich bin überzeugt, dass unsere Expertinnen und Experten die österreichische Position gut vertreten haben – und ich bin zuversichtlich, dass die Kommission die Menschen in Tirol versteht“, erklärte Gewessler gegenüber der APA nach der mehrstündigen Anhörung. Denn die Fakten seien „auf unserer Seite. Und das Leben und die Gesundheit der Tirolerinnen und Tiroler sind nicht verhandelbar.“

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Ins selbe Horn stieß Tirols Landeshauptmann Anton Mattle (ÖVP): „Hinter jeder Maßnahme, die Tirol im Kampf gegen den überbordenden Transit gesetzt hat, stehen gute Argumente sowie Zahlen, Daten und Fakten. Unsere Verteidigungslinie ist unverändert und sehr fundiert.“ Das „Aushebeln“ der Tiroler Notmaßnahmen lehne man kategorisch ab. Tirol bleibe aber „gesprächsbereit, wenn es um neue Maßnahmen geht“, machte der Landeschef einmal mehr klar und warb zum wiederholten Mal für ein „intelligentes Verkehrsmanagementsystem mit Südtirol und Bayern.“ „Vom Streit allein wird sich die Situation entlang des Brennerkorridors aber nicht verbessern“, zeigte sich Mattle offen für Verhandlungen, um den gordischen Knoten zu lösen.

Die EU-Kommission indes hatte bereits vor der Anhörung auf APA-Anfrage deutlich gemacht, sich am Montag nicht öffentlich zu dem Fall äußern. Erst wenn die Behörde sich eine definitive Meinung in der Causa gebildet habe, werde man dies tun.

Wie die APA aus sicherer Quelle erfuhr, wurden im Lauf der Anhörung keine grundsätzlichen Fragen bezüglich der österreichischen bzw. Tiroler Maßnahmen gestellt, sondern „nur“ solche zu deren Verhältnismäßigkeit. Dies soll auf heimischer Seite durchaus als positives Zeichen gewertet worden sein. Zudem soll die italienische Seite kein neues „Dossier“, wie von Verkehrsminister Matteo Salvini (Lega) ursprünglich in den Raum gestellt, vorgelegt haben.

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Österreich wurde am Montag von einem zwölfköpfigen Team – bestehend aus Vertretern des Ministeriums, des Bundeskanzleramtes, Tirols und der Ständigen Vertretung der Republik bei der EU – repräsentiert. Unter den hohen Beamten der Delegation befand sich auch Ministeriums-Generalsekretär Herbert Kasser. Auch die EU-Kommission wurde von Beamten – und nicht von Politikern – vertreten. Die Anhörung war für 14.30 Uhr angesetzt gewesen und dauerte bis kurz vor 18.00 Uhr.

Italien sieht das auf der Brennerstrecke eingesetzte Lkw-Dosiersystem sowie Wochenend- und Nachtfahrverbote als EU-rechtswidrig an. Mitte Februar kündigte die Regierung in Rom wie erwartet an, vor dem EuGH dagegen klagen zu wollen. Laut EU-Verträgen muss sie aber zuerst die EU-Kommission einschalten. Wenn diese die Maßnahmen auch für rechtswidrig hält, kann sie ein Vertragsverletzungsverfahren eröffnen. Reagiert die Kommission nicht innerhalb von drei Monaten (also bis Mitte Mai), kann Italien eigenständig den EuGH anrufen.

Die Regierung in Rom hatte ihr Vorgehen im Oktober im Ministerrat beschlossen. Zuvor hatte Verkehrsminister Matteo Salvini (Lega) monatelang gegen die Tiroler Maßnahmen mobil gemacht und Drohungen ausgestoßen, unter anderem auch im Zuge eines Besuchs am Brenner. Es handle sich um eine „schwierige, aber zwingende Entscheidung angesichts der Haltung der EU-Kommission und der Unmöglichkeit, eine Verhandlungslösung zu erreichen“, hatte es geheißen. Der EU-Kommission warf der Lega-Chef bisher stets Untätigkeit vor, da sie nicht von sich aus ein EU-Vertragsverletzungsverfahren einleitete.

Die Tiroler Landesregierung aus ÖVP und SPÖ hatte wiederholt klargemacht, nicht von den „Notmaßnahmen“ abzusehen, solange es keine große europäische Lösung gibt. Landeshauptmann Mattle hatte zuletzt gehofft, dass die Klage noch abgewendet werden könne. Eine Lösung mit Italien sei „noch möglich“, meinte der Landeschef etwa noch Ende Oktober nach einem Treffen mit Regierungsstaatssekretär Alfredo Mantovano, einem engen Mitarbeiter von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni (Fratelli D’Italia), in Rom.

Zudem warb Mattle stets für das sogenannte „Slot-System“, ein intelligentes Verkehrsmanagement auf der Brennerstrecke mit buchbaren Lkw-Fahrten, als Teil der Lösung. Ebendieses war von Tirol, Bayern und Südtirol vergangenes Jahr bei einem „Gipfel“ in Kufstein politisch paktiert worden. Damit ein solches „Slot-System“ aufgesetzt werden kann, braucht es aber einen Staatsvertrag zwischen Deutschland, Österreich und Italien. Dieser ist aber, vor allem aufgrund der Haltung Italiens, derzeit in weiter Ferne.

Zuletzt stellte der Landeschef im Landtag einen möglichen Alleingang, also nur ein „Slot-System“ auf Tiroler Gebiet, ins Spiel. „Es wird uns vielleicht nichts anderes übrig bleiben um zu prüfen, ob so ein System nur in Österreich und Tirol eingeführt werden kann“, erklärte Mattle.

Tirols Verkehrslandesrat René Zumtobel (SPÖ) sah das Bundesland auf das Verfahren „sehr gut vorbereitet“. Die Maßnahmen würden sich im gesetzlichen Rahmen bewegen, zeigte er sich Montagvormittag am Rande einer Pressekonferenz in Innsbruck überzeugt. Auch die von der EU ins Spiel gebrachte Senkung der Luftgütewerte würde dabei „sehr hilfreich“ sein. Er räumte indes ein, die Causa trotzdem „sehr ernst“ zu nehmen und betonte, dass Tirol weiterhin verhandlungsbereit sei und „nie vom Verhandlungstisch aufgestanden“ zu sein.

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