In Australien ist am Montag das Recht auf Nichterreichbarkeit in Kraft getreten. Es gilt offiziell für Millionen Beschäftigte, die demnach nicht verpflichtet sind, außerhalb der regulären Arbeitszeit auf SMS, Mails oder Anrufe zu reagieren – es sei denn, ihre Weigerung wird als „unangemessen“ betrachtet. In Österreich gibt es ein solches Recht nicht eindeutig, allerdings kann ein Anruf vom Chef im Urlaub gegebenenfalls als Arbeitszeit verbucht werden.
Hierzulande forderte die zuletzt etwa die Arbeiterkammer Kärnten eine gesetzliche Regelung fürs Recht auf Nichterreichbarkeit. Die Wirtschaftskammer sprach sich umgehend dagegen aus. Groß in der politischen Debatte tauchte die Thematik bisher in Österreich allerdings noch nicht auf.
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In Europa gibt es ähnliche Gesetze seit 2017 in Frankreich, seit 2018 in Spanien und seit 2022 in Belgien. Ein europäisches Gesetz, das ein Recht auf Nichterreichbarkeit festschreibt, wird im Zusammenhang mit einem europäischen Rechtsrahmen für die Festlegung von Mindestanforderungen für Telearbeit diskutiert.
AK-Arbeitsrechtler Maximilian Turrini kürzlich: „Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber dürfen ihre Mitarbeitenden, die sich im Urlaub oder Zeitausgleich befinden, in der Regel nicht kontaktieren. Wird der Urlaub durch ein dienstliches Telefonat oder eine E-Mail unterbrochen, dann gilt das als Arbeitszeit und darf nicht vom Urlaubskonto abgezogen werden.“ Auch der Besitz eines Diensthandys verpflichte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht dazu, in ihrer Freizeit erreichbar zu sein. „Während des Urlaubs ist das Abschalten des Diensthandys nicht nur erlaubt, sondern oft eine Grundvoraussetzung, um den Erholungswert, den auch der Gesetzgeber fordert, zu erreichen“, sagt Turrini. Von der Wirtschaftskammer hieß es: „Ein eigenes Gesetz ist nicht erforderlich, die bestehenden Regelungen und Rechtsprechung schützen die Dienstnehmerinnen und Dienstnehmer ausreichend.
Die australische Regelung war im Februar verabschiedet worden. Sie gilt für Unternehmen mit mehr als 15 Beschäftigten. Für kleinere Firmen soll sie am 26. August 2025 in Kraft treten. Sie stelle sicher, “dass Menschen, die nicht 24 Stunden am Tag bezahlt werden, auch nicht 24 Stunden am Tag arbeiten müssen“, sagte Premierminister Anthony Albanese im Fernsehsender ABC.
Dabei gehe es auch um die psychische Gesundheit der Arbeitnehmer, sagte Albanese weiter. Die Menschen müssten sich von ihrer Arbeit lösen und sich ihrer Familie und ihrem Leben widmen können. Die Gewerkschaften begrüßten das Gesetz. „Heute ist ein historischer Tag für die arbeitenden Menschen“, erklärte die Präsidentin des Gewerkschafts-Dachverbands ACTU, Michele O’Neil. Sie seien künftig nicht mehr dem Stress ausgesetzt, „ständig unzumutbare Anrufe und E-Mails von der Arbeit beantworten zu müssen“.
Aus der Wirtschaft kam hingegen Kritik. Die Reform sei „übereilt, schlecht durchdacht und sehr verwirrend“, erklärte der Industrieverband AI Group. „Zumindest werden Arbeitgeber und Arbeitnehmer nun im Unklaren darüber sein, ob sie einen Anruf außerhalb der Arbeitszeit annehmen oder tätigen können, um eine zusätzliche Schicht anzubieten“, kritisierte der Verband mit Blick auf die in dem Gesetz verankerten Ausnahmeregelungen.
Die Leiterin der Schlichtungsstelle für Arbeitsrechtsauseinandersetzungen, Fair-Work-Ombudsfrau Anna Booth, rief Beschäftigte und Betriebe dazu auf, die neue Gesetzgebung mit „gesundem Menschenverstand“ umzusetzen. Gerichte müssten entscheiden, wie der Begriff „unangemessen“ im Streitfall zu definieren sei. Das hänge von den Umständen ab: etwa dem Grund für einen Kontakt des Arbeitgebers außerhalb der regulären Arbeitszeit, die Position des Arbeitnehmers oder die Bezahlung für Überstunden oder die Erreichbarkeit.