Chemie-KV: Sozialpartner weisen sich gegenseitig Schuld zu

Nachdem fünf Verhandlungsrunden für den heurigen Kollektivvertrag (KV) der chemischen Industrie gescheitert sind, findet heute eine Betriebsräte-Konferenz in Schwechat (NÖ) statt. Im Vorfeld haben Mittwoch Vormittag die Arbeitgeber die Gewerkschaft zu einer Rückkehr an den Verhandlungstisch aufgerufen und mehr Verständnis für die wirtschaftliche Situation der Branche eingefordert.

„Weder Drohungen noch öffentliche Betriebsrätekonferenzen bringen uns in der derzeitigen Situation weiter. Tatsache ist, dass die Arbeitnehmervertretung mit überzogenen Lohn- und Gehaltsforderungen in die Verhandlungen über einen neuen Kollektivvertrag für die chemische Industrie Österreichs geht“, kritisierte heute Berthold Stöger, Verhandlungsleiter im Fachverband der Chemischen Industrie.

Er stellte in einer Stellungnahme gegenüber der APA klar: „Die Abgeltung der außergewöhnlich hohen Inflation kann kein Automatismus sein. Wir können nur das verteilen, was vorher in den Betrieben erwirtschaftet wurde.“

Er rechnete vor, dass es im Vorjahr einen Produktionsrückgang von 10,4 Prozent gegeben habe – und auch die Prognosen der Wirtschaftsforscher würden von „Gegenwind“ sprechen. Dieser werde Österreichs Wirtschaft 2024 nahe an der Stagnation halten.

Die Arbeitnehmer wiederum appellieren an die Arbeitgeber, sich zu bewegen. Sie sprechen von einem „respektlosen Vorgehen“ der Industrie, unter dem die Sozialpartnerschaft Schaden nehme. „Die bisherigen Arbeitgeberangebote sind weit unter dieser Inflationsrate und bedeuten daher reale Einkommensverluste für die Beschäftigten“, so die beiden Chefverhandler auf Arbeitnehmerseite, Alfred Artmäuer (PRO-GE) und Günther Gallistl (GPA). Sie verweisen auf die vier erfolgreichen Industrie-Abschlüsse in den anderen Branchen der Frühjahrslohnrunde.

Es sei ein Affront, dass die Arbeitgeber über drei Wochen lang keine weiteren Verhandlungstermine anbieten würden. „Sollte es auch in der sechsten Verhandlungsrunde am 6. Juni zu keinem Abschluss kommen, werden erste Warnstreiks folgen“, stellen die Arbeitnehmervertreter in einer Aussendung klar.

Als Basis der Verhandlungen gilt die Inflation der vergangenen zwölf Monate zu Gesprächsbeginn, diese liegt bei 6,3 Prozent. Die KV-Gespräche gehen am 6. Juni weiter. Die etwa 240 Mitgliedsunternehmen der Chemischen Industrie Österreichs (FCIO) beschäftigen knapp 50.000 Menschen.

Gestern einigten sich die Sozialpartner auf den KV für die Glasindustrie. Hierfür waren lediglich zwei Verhandlungsrunden nötig. Ausgangspunkt war die Jahresinflation von 6,3 Prozent, herausgekommen ist eine Erhöhung der kollektivvertraglichen Mindestlöhne und -gehälter um 6,5 Prozent. Die IST-Löhne und IST-Gehälter werden um 6,3 Prozent angehoben (maximal 350 Euro). Der neue Kollektivvertrag gilt ab 1. Juni. Aktuell liegt die Teuerungsrate in Österreich bei 3,5 Prozent.

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