„Energiesparen war noch nie so wichtig wie jetzt“

Wirtschaftslandesrat Markus Achleitner sieht OÖ aber trotz Krise gut für den Winter gerüstet

Achleitner

Bei der bevorstehenden Arbeitsmarktreform fordert der Landesrat vor allem auch eine Steuerbefreiung für Pensionisten, die noch arbeiten wollen. Zudem sieht er beim Zeitpunkt der Einführung der geplanten CO2-Bepreisung noch Gesprächsbedarf.

VOLKSBLATT: „Es hat uns aus der Krise hinauskatapultiert“ war im vergangenen Sommer einer der geflügelten Sätze zur Erholung nach der Corona-Krise. Hat uns die Russland-Krise nun wieder auf den Boden zurückgeholt?

ACHLEITNER: Man merkt wieder einmal, dass man Entwicklungen nicht vorhersehen kann. Die Planbarkeit ging durch den fürchterlichen Krieg verloren. Allerdings muss man sagen, trotz aller Verwerfungen brummt der Wirtschaftsmotor auf Hochtouren. Wir haben Rekordbeschäftigung, die Auftragslage ist überhitzt. Aber der Gegenwind wird schärfer. Wir haben hohe Inflation, hohe Energiekosten, eine sich abschwächende Konjunktur.

Wie ernst ist die Energiekrise, wie rüstet sich Oberösterreich? Als Industriebundesland Nummer 1 würde fehlendes Gas das Bundesland wohl am härtesten treffen.

Vorsorgen ist das Gebot der Stunde. Ich habe vor zwei Wochen den Energielenkungsbeirat einberufen, um ein Bild über den Gas-Speicherstand zu bekommen. Die Zusammenarbeit mit der E-Control ist hier sehr gut.

Energiesparen war immer wichtig, aber noch nie so wichtig wie jetzt. Wir brauchen ein Drittel des Gases für die Stromerzeugung. Jede Kilowattstunde, die man jetzt nicht verbraucht, ist daher wichtig. Dann können wir jetzt einspeichern. Wir haben in Österreich das Glück einen Gas-Jahresbedarf einspeichern zu können. Bis Winterbeginn wollen wir auf 80 Prozent kommen. Dann haben wir genügend vorgesorgt, damit wir über den Winter kommen.

Gerade in der energieintensiven Industrie wird es aber schwer viel einzusparen.

Alle sind aufgerufen, mitzuhelfen. Auch Wirtschaft und Industrie haben bereits durch Effizienzmaßnahmen damit begonnen. Von Jänner bis Mai gab es eine Einsparung von 10 Prozent beim Gasverbrauch.

Die Informationen, welche Unternehmen im Ernstfall als kritische Infrastruktur mit Gas versorgt werden, sind noch immer sehr undurchsichtig. Wie sehen Sie die Situation?

Der Informationsfluss könnte besser sein, aber die Zusammenarbeit mit der E-Control ist sehr gut. Oberösterreich rüstet sich dazu selbst mit Notfallplänen. Wir gehen aber nicht davon aus, dass es zu dramatischeren Lenkungsmaßnahmen kommen muss. Aber da man es nicht ausschließen kann, bereiten sich Bund und Länder vor.

Wie sehen sie die geplante CO2-Bepreisung, soll diese wirklich im Oktober kommen?

Sie ist grundsätzlich ein Lenkungseffekt, der gut ist. Aber ob in Zeiten, in denen die Energiepreise ohnehin steigen, nun der richtige Zeitpunkt für die Einführung ist, wird zu diskutieren sein.

Die Energiekrise hat den Fachkräftemangel als dominierendes Thema abgelöst. Dennoch ist dieser weiterhin ein Problem, das bei weitem nicht kleiner wird.

Wir haben viel mehr Arbeit im Land als Menschen, die arbeiten. Prinzipiell ist es eine hervorragende Situation für den Wirtschaftsstandort, sagen zu können, die Unternehmen haben Aufträge ohne Ende und die Menschen haben Arbeit. Mit 706.000 Beschäftigten gab es in Oberösterreich noch nie eine so hohe Anzahl an Menschen in Arbeit. Aber es fehlen in allen Bereichen Arbeitskräfte.

Wie will man hier entgegenwirken?

Wir müssen schauen, wo wir Potenziale heben können. Etwa bei Teilzeitkräften, die ein paar Stunden mehr arbeiten.

Dabei geht es aber auch um Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Oberösterreich investiert heuer in 100 neue Kinderbetreuungseinrichtungen, um hier geeignete Rahmenbedingungen zu schaffen.

Braucht es weiteren Zuzug aus dem Ausland?

Es geht einerseits um die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund in den Arbeitsmarkt. Andererseits braucht es aber auch qualifizierte Zuwanderung aus dem Ausland. Hier wurde mit der reformierten Rot-Weiß-Rot-Karte viel erreicht.

Mit Pensionisten, die nebenbei arbeiten könnten, aber es auch aufgrund der finanziellen Rahmenbedingungen nicht machen, geht viel Know-how verloren.

Daher mein Vorschlag: Pensionisten sollten die Möglichkeit erhalten, steuerfrei dazuverdienen zu können.

Ist dies einer der Punkte, die man in der anstehenden Arbeitsmarktreform sehen will?

Ich orte sehr viel Zustimmung für diesen Vorschlag. Es wäre eine Win-win-win-Situation. Für viele Menschen ist Arbeit auch Lebenssinn, die Firmen könnten dazu weiter auf das Wissen der langjährigen Mitarbeiter zurückgreifen. Für den Staat ist es kein Verlust, da Einkommen für die Menschen lukriert wird, das in den Konsum fließt. Hier verdient der Staat dann dementsprechend mit.

Was wären weitere wichtige Punkte?

Man muss sich anschauen, wie es sein kann, dass wir in Oberösterreich eine geringe Arbeitslosigkeit haben – aber in Wien etwa 10 Prozent. Von Wien nach Linz ist es nicht wirklich weiter als von Rohrbach nach Linz, also die Mobilität sollte auch hier gegeben sein. In Oberösterreich bekommt jeder Arbeit, der arbeiten will. Man sollte den Leistungsgedanken wieder mehr in die Gesellschaft bringen.

Sollen Zuverdienstgrenzen fallen?

Dauermodelle in der Arbeitslosigkeit mit geringfügigem Zuverdienst sollte man erschweren. Auch das System, dass, wenn man den Job wechselt, man sich für ein paar Monate beim AMS „parken“ kann, sollte hinterfragt werden. In Österreich werden über 400 Mio. Euro ausgegeben für ausgelagerte Kosten von Arbeitnehmern und Arbeitgebern.

Angesichts der vor allem von außen hereingetragenen schlechten Rahmenbedingungen, was stimmt Sie weiter positiv?

Der Umgang mit Krisen hat gezeigt, dass Oberösterreich immer besser aus der Krise gekommen ist, als andere Regionen in Österreich und Europa. Die Menschen im Land halten zusammen und ziehen die richtigen Schlüsse aus Krisen. Bei der Pandemie etwa haben politisch richtige Maßnahmen zu einem erfolgreichen Neustart geführt – Stichwort „hinauskatapultiert“. Ebenso stimmt mich optimistisch, wie gut wir bei der Transformation der Energieversorgung unterwegs sind. In Österreich kommt der Strom zu 77 %t aus Erneuerbaren, in Oberösterreich sind wir bei 84 %. Mit diesem Wert sind wir die Nummer 1 in Europa.

Mit Wirtschaftslandesrat Markus Achleitner sprach Christoph Steiner

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