Ungeachtet des Ukraine-Kriegs importiert die Europäische Union immer noch fast ein Fünftel ihres Erdgases aus Russland. Im Vergleich zum vergangenen Jahr stiegen die Einfuhren sogar wieder, wie ein am Mittwoch in Brüssel veröffentlichter Energiebericht der EU-Kommission zeigt. Für die Slowakei, Ungarn und Österreich bleibt Russland der größte Lieferant.
Im ersten Halbjahr 2024 führten die EU-Länder laut dem Bericht 18 Prozent ihres Erdgases aus Russland ein, das entsprach einer Menge von 25,4 Milliarden Kubikmetern. Im ersten Halbjahr des vergangenen Jahres waren es dagegen nur 14 Prozent, insgesamt 21,2 Milliarden Kubikmeter. Damit überholte Russland die USA und wurde erneut zum zweitgrößten Lieferanten der EU nach Norwegen, wie bereits die Brüsseler Denkfabrik Bruegel berichtet hatte.
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Energiekommissarin Kadri Simson rief die Mitgliedsländer auf, größere Anstrengungen zur Unabhängigkeit von Moskau zu unternehmen. Russland könne die EU aber durch Drehen am Gashahn heute „nicht mehr erpressen“, betonte sie. Im Jahr 2021 hatten die EU-Länder nach ihren Angaben noch 45 Prozent ihres Bedarfs durch russisches Pipeline- oder Flüssigerdgas (LNG) gedeckt.
Nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine verpflichteten sich die EU-Länder, die Einfuhren fossiler russischer Energieträger wie Öl und Gas „so schnell wie möglich“ zurückzufahren. Ein Importverbot für Erdgas lässt allerdings weiter auf sich warten. Dafür fehlt unter den Mitgliedstaaten die nötige Einstimmigkeit.
Das liegt an der weiter großen Abhängigkeit einiger Staaten. Österreich bezog im vergangenen Jahr laut dem Bericht noch 44 Prozent seines Erdgases aus Russland. In Ungarn waren es sogar 69 Prozent, nach nur 61 Prozent 2021. An der Spitze steht die Slowakei mit 70 Prozent russischem Gas, nach 68 Prozent 2021. Deutschland verzichtet dagegen zumindest auf russisches Pipeline-Gas.
Dennoch drängte Simson erneut auf ein Ende des Transits von Gas aus Russland durch die Ukraine nach Europa. „Die EU ist bereit, ohne das verbleibende russische Erdgas zu leben, das über die Transitroute durch die Ukraine geliefert wird“, sagte die EU-Energiekommissarin. Man habe sich mehrere Monate auf den Stopp des Gasflusses vorbereitet und alternative Lieferwege gefunden.
Der Vertrag zum Transit russischen Gases durch die Ukraine nach Europa zwischen den Staatskonzernen Gazprom und Naftogaz endet am 31. Dezember 2024. Trotz des vor mehr als zwei Jahren von Moskau begonnenen Angriffskriegs wurde er bisher erfüllt – auch auf Drängen der europäischen Nachbarländer der Ukraine, speziell Ungarns. Auch Österreich bezieht über die Verbindung noch in großen Ausmaß Gas aus Russland.
Kiew hatte das Ende des Transits zuletzt bestätigt. Die Ukraine wolle den Transit beenden, hieß es. Das Land habe Verträge als Transitland geschlossen, die bis zum 1. Jänner 2025 gelten und die das Land nicht einseitig kündigen könne. Man sei aber bereit, Gas aus den Ländern Zentralasiens oder Aserbaidschans nach Europa durchzuleiten.
Russlands Präsident Wladimir Putin hatte zuletzt Moskaus Bereitschaft zur Fortsetzung des Transits russischen Gases durch die Ukraine nach Europa bekräftigt.