Handel sucht Antworten auf Arbeitskräftemangel

WKÖ-Trefelik: Statt Katastrophenstimmung „Perspektiven“ im Fokus © APA/GEORG HOCHMUTH

Die heimische Handelsbranche kämpft mit großen Herausforderungen: Rückläufige Realumsätze, Arbeitskräftemangel, stark gestiegene Energiekosten und mehr digitale Mitbewerber aus dem Ausland sowie höhere Nachhaltigkeitsstandards bestimmen die Agenda. „Wir brauchen eine gemeinsame Kraftanstrengung“, sagte Handelsobmann Rainer Trefelik beim WKÖ-„Handelstag“ am Mittwoch in Wien. Statt Katastrophenstimmung gehe es vielmehr um „Optimismus und Perspektiven“.

Man könne aber nicht die „aktuellen Zahlen ausblenden“, die Umsatzzahlen im Handel würden „nicht das Niveau erreichen, um die gestiegenen Kosten auszugleichen“, sagte Trefelik beim Branchentreffen. Um die Rekordinflation preisbereinigt nahm der Umsatz im Einzelhandel (ohne Handel mit Kfz) im ersten Halbjahr real um 3,8 Prozent ab.

Ende Oktober starten die Kollektivvertragsverhandlungen für die über 570.000 Beschäftigten im Handel. „Die werden eine große Herausforderung“, so der WKÖ-Handelsobmann. „Es braucht ein Gesamtpaket, das stemmen die Firmen alleine nicht“, sagte Trefelik in Richtung Gewerkschaft und Regierung. Deutlich höhere Personal-, Miet- und Energiekosten könne man nicht mit realen Umsatzrückgängen finanzieren. „Das geht sich nicht mehr aus.“

Der von der türkis-grünen Regierung Ende 2022 präsentierte Energiekostenzuschuss 2 für Unternehmen sei „noch ausständig“, kritisierte der WKÖ-Handelsobmann. WKÖ-Generalsekretär Karlheinz Kopf übte ebenfalls Kritik an der langsamen Umsetzung. Das „Ping Pong“ zwischen den Regierungspartnern sei „unerträglich“, sagte WKÖ-Vertreter Kopf in Richtung der Grünen. Laut der Generalsekretärin des Wirtschaftsministeriums, Eva Landrichtinger, könnte es bald eine Lösung geben. Man hoffe „in den nächsten Wochen“ eine finale Einigung mit dem Energieministerium von Leonore Gewessler (Grüne) zu erreichen, sagte sie bei der Veranstaltung. Die Richtlinie für den Energiekostenzuschuss 2 sei bereits zur Notifikation nach Brüssel geschickt worden und werde wohl auch bald genehmigt.

Corona-Nachwehen, ein Anstieg von Inflation und Zinsen und die damit einhergehende schwache Nachfrage der Konsumenten machen dem heimischen Einzelhandel schwer zu schaffen. Namhafte Händler wie Kika/Leiner, Forstinger, Gerry Weber Österreich, Reno oder die Sport-2000-Genossenschaft Zentrasport mussten heuer bereits Insolvenz anmelden. Salamander und Delka zogen die Notbremse und schlossen im Sommer alle Filialen in Österreich.

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Für WKÖ-Präsident Harald Mahrer ist im heimischen Handel „das Glas ein bisschen mehr als halb voll“. „Persönliches Beraten“ sei in Zeiten der Digitalisierung eine „gigantische Chance“ für Handelsbetriebe. Generell gebe es „sehr innovative“ Lösungen im Handel, etwa in Asien. Mahrer erwartet insgesamt „große Umbrüche“ für den stationären Handel und Großhandel in Österreich. Arbeitskräftemangel aufgrund der alternden Bevölkerung wird für den WKÖ-Chef „eine zentrale Schlüsselfrage für die Gesamtwirtschaft“. Es gehe nun darum, „richtige Rahmenbedingungen“ zu schaffen. „Um diese Anreize werden wir in der Sozialpartnerschaft ringen“, sagte Mahrer. Dass sich Branchen gegenseitig die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter abwerben, sei kontraproduktiv.

AMS-Vorstand Johannes Kopf präsentierte den versammelten Händlern eine lange Liste mit Maßnahmen gegen den Arbeitskräftemangel: Stundenaufstockung von Teilzeitkräften und geringfügig Beschäftigten, Ausweitung der Kinderbetreuung, Anwerbung von Arbeitskräften von außerhalb der EU, Einstellung von Arbeitslosen oder Personen mit gesundheitlichen Einschränkungen, Ausbau der Lehrlingsausbildung und Höherqualifizierung der eigenen Belegschaft sowie aussagekräftigere Gestaltung der Jobinserate mit Angabe des Nettogehalts. „Das Thema Arbeitskräftemangel wird uns bleiben“, sagte der AMS-Chef im Hinblick auf die demografische Entwicklung und den geringeren Zuzug nach Österreich. „Jetzt müssen sie tanzen, um Arbeitskräfte zu finden.“

Im Einzelhandel liegt die Teilzeitquote bei Frauen bei über 60 Prozent und bei Männern bei rund 20 Prozent. Laut einer beim WKÖ-„Handelstag“ präsentierten aktuellen Umfrage des Instituts für Handel, Absatz und Marketing der Johannes Kepler Universität Linz wollen 10 Prozent der Befragten „gerne auf Vollzeit aufstocken“, 32 Prozent „ein paar Stunden gerne mehr arbeiten“ und 58 Prozent nicht aufstocken.

Die deutsche Zukunftsforscherin und Handelsexpertin Theresa Schleicher versuchte den Handelsvertretern das Thema Nachhaltigkeit als Geschäftschance näher zu bringen. „Die Umwelt ist unser größter Transformator“, sagte Schleicher beim Branchentreffen. Es gehe im Handel um „qualitatives Wachstum“, etwa, welche konkreten Produkte im Handel angeboten werden. Aus ökologischer Sicht müsse man sich Herstellung, Transport und Lagerung der Waren genau ansehen, so die Handelsexpertin.

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