IV-Boss und KTM-Macher Pierer fordert ein deutliches Umdenken

Interview der Woche: Oberösterreichs IV-Präsident Stefan Pierer spricht über den realitätsfernen Traum vom leistungslosen Wohlstand und die Notwendigkeit zur Entlastung der Betriebe bei Steuern und Bürokratie. Denn: „Wir verlieren sukzessive an Wettbewerbsfähigkeit.“

Stefan Pierer ist einerseits davon überzeugt, dass sich Leistung lohnen muss und dass KTM in der MotoGP-Klasse dieses Jahr um den Titel mitfahren wird.
Stefan Pierer ist einerseits davon überzeugt, dass sich Leistung lohnen muss und dass KTM in der MotoGP-Klasse dieses Jahr um den Titel mitfahren wird. © IV OÖ/Pelzl

Stefan Pierer, Präsident der Industriellenvereinigung Oberösterreich (IV OÖ), spricht im Interview mit dem VOLKSBLATT der Landesregierung ein Lob, der Bundesregierung einen Tadel aus. Die duale Ausbildung sei nach wie vor ein Asset, die Bürokratiehürden allerdings wachstumshemmend.

KTM ist in der MotoGP engagiert. Was erwarten Sie sich hier von der Saison 2024?

Heuer fahren wir um den Titel mit. Das ist schließlich der letzte, der uns noch fehlt und da gehen wir gerne die Extra-Meter.

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Wenn wir vom Sport zu der aktuellen Wirtschaftslage kommen? Wie beurteilen Sie die Rahmenbedingungen für die Industrie?

Diese sind leider schlecht. Österreich befindet sich in der stärksten normalzyklischen Rezession seit 1951. Die Abschlüsse bei den Pensionisten und im öffentlichen Dienst haben der Industrie auch nicht geholfen. Man muss bedenken, dass ein Prozent Lohnerhöhung die Inflation um 0,3 Prozent in die Höhe treibt. Und das ist ein weiterer Puzzlestein, wie man einen Wirtschaftsstandort demontieren kann.

Um den ist es Ihrer Meinung nach schlecht bestellt?

Wir verlieren sukzessive an Wettbewerbsfähigkeit. Ein Beispiel: Wir haben die Deutschen bei den Lohnstückkosten überholt. Der Mitbewerb ist also nicht nur in China, sondern mittlerweile auch in anderen europäischen Staaten. Und das wirkt sich auch auf die wirtschaftliche Lage in den Betrieben aus.

Müsste hier die Politik mehr eingreifen?

Wir sehen, dass in Österreich vieles verkehrt läuft. Das hängt mit der überbordenden Bürokratie zusammen und mit unsäglich langsamen Genehmigungsverfahren. Die Bundesregierung bekommt nicht so viel weiter, wie wir uns das erwünschen. Die Abschaffung der kalten Progression war ein großer Wurf, aber ansonsten ist Stillstand. Leider.

Was wäre notwendig?

Was es jetzt braucht, ist professionelle Standortpolitik: Runter mit den Kosten für Unternehmen, mehr Anreize für die Mitarbeiter mehr, um länger zu arbeiten und schnellere Verfahren bei Investitionsprojekten.

Und wie ist dann Ihr Befund bezüglich der oberösterreichischen Landespolitik?

Die Landesregierung macht indessen vieles, um den Wirtschafts- und Industriestandort fit zu halten. Wir haben zum Glück ein offenes Klima mit allen Fraktionen, aber der Spielraum als Bundesland ist halt dennoch begrenzt.

Sie zeichnen ein ziemlich düsteres Bild, wenn man Ihnen zuhört.

In Österreich und Europa wird zu viel verwaltet. Und noch einmal: Die Genehmigungsverfahren dauern viel zu lange und die Bürokratie ist überbordend. Man muss sich ja nur die Intention beim Lieferkettengesetz anschauen. Hier werden die Industrieunternehmen – und das betrifft auch die Klein- und Mittelbetriebe – extra Personal aufnehmen, die nur mit bürokratischer Arbeit beschäftigt sind. Wir haben uns zum Stillstand herunterreguliert. Es ist aber auf der anderen Seite schon auch so, dass wir einige Assets haben.

Welche zum Beispiel?

Was Österreich nach wie vor auszeichnet ist die duale Ausbildung. Diese ist super und ein Vorzeigebeispiel. KTM hat beispielsweise 350 Lehrlinge. Das sind hoch motivierte junge Menschen, die bereit sind, Leistung zu erbringen. Das ist jedes Jahr aufs Neue ein Motivationsschub, wenn diese jungen Menschen bei den Betrieben anfangen.

Das heißt, an der Leistungsbereitschaft der Menschen scheitert es nicht, um den Wirtschaftsstandort fit zu halten?

Keineswegs. Gerade die Oberösterreicher sind äußerst fleißig. Aber natürlich gibt es auf der anderen Seite besorgniserregende Auswüchse, wenn ich an die 32-Stunden-Woche denke oder an die ewige Diskussion über Work-Life-Balance. Fakt ist, die Leute wollen arbeiten, sie wollen einer sinnvollen Tätigkeit nachgehen und sie wollen dafür auch fair entlohnt werden und dass sich ihre Leistung auch lohnt. Nur die Hände aufzuhalten und auf Sozialleistungen warten und hoffen ist zu wenig.

Sie sprechen die Themen ziemlich offen an. Wird man da angefeindet?

Keineswegs. Ich bekomme oft Zuspruch, dass es gut ist, dass ich diese Themen so offen ausspreche. Wir haben ja auch im Bildungsbereich massive Probleme. Die Bildung muss man sehr oft als Unternehmen selbst in die Hand nehmen und das dürfte in Wahrheit nicht sein.

Früher galt „Made in Austria“ als gewichtiges Verkaufsargument. Haben wir hier noch die Nase vorne?

Kaum noch. Wir haben China 20 Jahre vieles in Sachen Produktqualität beigebracht und gut verdient. Da darf man sich nicht wundern, dass uns das Reich der Mitte mittlerweile bei der Produktqualität ebenbürtig ist. Im Automobilbereich ist Europa schon noch besser und die generelle Produktqualität bei industriellen Erzeugnissen ist im Vergleich zu den USA auch höher.

Was erwartet die Industriebetriebe in diesem Jahr?

Unser Standort steht an einem Kipppunkt. Das Jahr 2024 wird in jedem Fall ein Restrukturierungsjahr für die Betriebe. Der Ausblick für das kommende Jahr bleibt aus meiner Sicht verhalten. Weder aus den USA noch aus China kann ein wirtschaftlicher Turbo für Europa erwartet werden. Vor allem Deutschland und Österreich bleiben 2024 wirtschaftliche Nachzügler. Wir werden also rasch gegensteuern müssen, sonst schaut´s schlecht aus.

Von Oliver Koch

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