Kratzer an der Elektroauto-Batterie – Versicherer sind vorsichtig

Schon der kleinste Kratzer an der Batterie kann bei einem Elektroauto zum Totalschaden führen – und das treibt die Versicherungsgebühren für die strombetriebenen Fahrzeuge nach oben. Denn bisher ist es kaum möglich, beschädigte Batterien zu reparieren oder auch nur ihren Zustand genau zu prüfen. Und so stapeln sich diese Batterien in manchen Ländern auf Schrottplätzen – ein teures Loch in dem, was eigentlich eine „zirkuläre Wirtschaft“ sein sollte.

„Wir kaufen Elektroautos, weil sie als nachhaltiger gelten“, sagte Matthew Avery vom Analysehaus Thatcham Research. „Aber ein Elektroauto ist nicht nachhaltig, wenn man die Batterie nach einem kleinen Unfall wegwerfen muss.“

Elektroauto-Akkus können zehntausende Euro kosten und sind damit das mit Abstand teuerste Einzelteil in dem Fahrzeug. Sie auszutauschen, rechnet sich aber häufig nicht. Reparaturen sind zum Teil zwar möglich, eine steigende Zahl von Werkstätten beschäftigen sich mit dem Thema. Allerdings ist es nicht so einfach, Zugang zu den Batterie-Diagnostikdaten zu erhalten. Deshalb müssten die Versicherer vorsichtig bleiben, sagte Peter Gruber, Eigentümer einer Werkstatt in Phoenix, Arizona, der sich auf die Reparatur von Tesla-Batterien konzentriert. „Eine Versicherung geht das Risiko nicht ein, weil sie mit einer Klage rechnen muss, wenn etwas mit dem reparierten Fahrzeug passiert.“

Dabei können nicht alle Akkupacks überhaupt instandgesetzt werden. Während einige Autobauer wie Ford und General Motors angeben, ihre Akkus so zu konstruieren, dass sie ausgebessert werden können, geht Tesla den umgekehrten Weg. Experten halten die neue strukturelle Batterie, die in den in Texas gefertigten Model Y-Fahrzeugen zum Einsatz kommt, für irreparabel. „Eine strukturelle Batterie von Tesla geht direkt in den Schredder“, sagte Sandy Munro, Chef des Beratungshauses Munro & Associates.

Die Entscheidung, die Batteriezellen direkt in die Karosserie einzubauen und dort zu verkleben, spart Tesla Produktionskosten, allerdings verlagert sich das Risiko auf die Kunden und Versicherer, die Schäden nicht mehr beheben können. Tesla selbst äußerte sich dazu nicht. Tesla-Chef Elon Musk sagte jedoch im Jänner, dass die Beiträge von einigen Versicherungsunternehmen „in einigen Fällen unnachvollziebar hoch“ seien.

Doch solange Tesla und andere Autobauer ihre Batterien nicht leichter zum Reparieren machen und vor allem eine genaue Analyse des Zustands der einzelnen Module und Zellen erlauben, werden die Versicherungsprämien nach Einschätzung von Experten weiter steigen. Die Zahl der Versicherungsfälle werde zunehmen, und deswegen sei der Umgang mit den beschädigten Batterien entscheidend, sagte Christoph Lauterwasser vom Allianz Center for Technology, einem Analysehaus des Versicherungskonzerns Allianz. Zwar geben die meisten Autobauer an, dass ihre Batterien repariert werden können, aber nur wenige scheinen Einblick in ihre Batteriedaten zu geben. Lauterwasser sagte, derzeit werde um den Zugang zu den Daten gestritten. Die Allianz habe zerkratzte Batteriemodule gesehen, bei denen die Zellen höchstwahrscheinlich unbeschädigt seien – aber ohne Datengrundlage müssten diese Fahrzeuge abgeschrieben werden.

Bis dahin sammeln sich die Batterien an. Michael Hill, Chef des britischen Schrotthändlers Synetiq, sagte, die Zahl der Elektroautos, die nach Unfällen angeliefert werden, steige derzeit rasch an. „Wir sehen eine wirklich starke Veränderung, über alle Hersteller hinweg.“ Zwar gäben alle Hersteller an, dass sie auf Recycling setzen – aber zumindest in Großbritannien seien Recyclinganlagen für Elektrobatterien bisher Mangelware. Synetiq baue die Batterien aus und lagere sie in Containern. Hill schätzt, dass mindestens 95 Prozent der Zellen in den hunderten Akkus unbeschädigt sind und eigentlich wiederverwendet werden können.

Die Europäische Kommission kennt das Thema. Einem Insider zufolge wurde sie aufgefordert, Wartung, Reparatur und weitere Nutzung zu adressieren, auch wenn das Thema in der jüngsten Batterie-Richtlinie nicht direkt enthalten ist. Versicherer meinen, die Lösung zu kennen. Die Batterien müssten in kleinere Module aufgeteilt werden, die leichter repariert werden könnten. Zugleich müssten die Diagnosedaten für Dritte freigegeben werden, um den Zustand der Zellen evaluieren zu können.

Sollte keine Lösung für die angekratzten Batterien gefunden werden, bleiben die Kosten nach Einschätzung der Versicherer an den Verbrauchern hängen. Zwar machen Schäden an Elektroauto-Batterien bei der Allianz nur einen geringen Prozentsatz der gesamten Schäden aus, sagte Lauterwasser. Auf sie entfielen aber acht Prozent der gesamten Kosten. „Wenn wir für ein bestimmtes Modell höhere Kosten haben, steigen die Versicherungsprämien, weil sich das auf die Typklassen auswirkt.“

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