Die EZB muss laut ihrer Präsidentin Christine Lagarde angesichts stärker schwankender Inflationsraten und größerer wirtschaftlicher Unsicherheiten künftig in der Geldpolitik flexibler agieren. „Meine Hauptbotschaft ist, dass wir auf Veränderungen vorbereitet und bereit sein müssen, die Flexibilität in unserem Rahmenwerk zu nutzen, wenn es nötig ist“, sagte Lagarde am Freitag auf einer Veranstaltung des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Washington.
Die Kernziele der Geldpolitik sollten aber unverändert bleiben. Um Stabilität in der Zukunft zu ermöglichen, müsse die EZB jedoch so vorgehen, dass sie sich rasch an einen Wandel in der Wirtschaft anpassen könne.
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„Unsere geldpolitischen Strategien haben sich als wirksam erwiesen, indem sie Zielkonflikte zwischen Inflation und Beschäftigung abgemildert haben“, sagte Lagarde. „Wenn wir in eine Ära eintreten, in der die Inflation stärker schwankt und die geldpolitische Wirkung unsicherer wird, wird die Beibehaltung dieses tiefen Ankers für die Preisbildung von wesentlicher Bedeutung sein.“ Die Notenbank müsse ihren Steuerungsrahmen jedoch kontinuierlich neu bewerten. „Regelmäßige Strategieüberprüfungen bieten die Gelegenheit zur Selbstreflexion“, sagte die Notenbank-Chefin.
Die EZB hatte zuletzt 2021 ihre geldpolitische Strategie vor dem Hintergrund der lange anhaltenden Niedrigzinsphase überarbeitet und ihr Inflationsziel für den Euroraum neu definiert. Bis dahin hatte sie mittelfristig einen Wert unterhalb, aber nahe zwei Prozent angestrebt. Seit der Überprüfung peilt sie mittelfristig ein symmetrisches Inflationsziel von genau zwei Prozent an. Dass das Ziel symmetrisch ist, soll bedeuten, dass Abweichungen von der Zielmarke nach oben und nach unten hin gleichermaßen verhindert werden sollen. Bei der Vorstellung der neuen Strategie hatte die EZB die nächste Überprüfung für 2025 in Aussicht gestellt.
Lagarde zufolge rechnet die EZB damit, die neue Strategieüberprüfung in der zweiten Jahreshälfte 2025 abzuschließen. „Wichtige Elemente der vorangegangenen Überprüfung bleiben gültig“, stellte sie in Aussicht. So soll das Inflationsziel von zwei Prozent beibehalten werden. Die Notenbank müsse sich aber weiterentwickeln, um in Zeiten tiefgreifender Veränderungen robuster zu sein.
So will die EZB unter anderem ihr Wissen und ihre Analyse der wirtschaftlichen Veränderungen vertiefen. Sie will beispielsweise untersuchen, wie sich die Wirtschaft in der Zeit nach der Pandemie gewandelt hat. „Als Teil dieser Analyse werden wir prüfen, wie wir unseren analytischen Rahmen verbessern können, einschließlich der Einbindung neuer Techniken und Datenquellen in unsere Prognosen.“ Lagarde nannte hier eine verstärkte Nutzung von Künstlicher Intelligenz (KI). Zudem will die EZB prüfen, was sich aus den Erfahrungen mit einer zu hohen und einer zu niedrigen Inflation lernen lasse – auch mit Blick auf die möglichen geldpolitischen Reaktionen.
Klar ist bereits, was nicht verändert werden soll. So will die EZB keine eigenen Zinsprognosen nach dem Muster der US-Notenbank veröffentlichen. Das hatte Lagarde bereits im Juli gesagt. Die US-Notenbank Federal Reserve veröffentlicht einmal im Quartal Zinsprognosen ihrer Führungsmitglieder in einer anonymisierten Punkte-Grafik – in der Fachwelt als „Dot Plot“ bezeichnet. EZB-Direktorin Isabel Schnabel hatte diese Idee in einer Rede vorgestellt. Viele Währungshüter hatten einen solchen Schritt aber kritisch gesehen.